Mark Batterson

Es war eine ganz gewöhnliche Bibelstunde. Ich weiß nicht mehr, wer die Bibelstunde hielt oder was das Thema war, aber es war ein entscheidender Moment in meinem Leben. Ich sprach das aus, was zu meiner persönlichen Lebensvision wurde. Meine Ankündigung mag nach diesem Aufbau antiklimaktisch wirken, aber es definiert wer ich bin und worum es mir im Leben geht. Ich hörte keine Engelchöre, die spontan den Halleluja Chorus sangen, aber ich wusste, dass ich meinen Lebenssinn entdeckt hatte. Ich sagte: „Der Sinn meines Lebens ist es anderen zu helfen, ihr gottgegebenes Potenzial zu nutzen und zu maximieren.“

Dieses Statement fasst meine Vision als Ehemann, Vater, Pastor und Autor zusammen. Unser Potenzial ist Gottes Gabe an uns. Was wir damit anfangen, ist unser Geschenk an Gott. Nichts gibt mir so viel Energie, wie anderen dabei zu helfen ihr gottgegebenes Potenzial zu verwalten. Hast du eine persönliche Lebensvision? Nicht nur eine Vision für die Gemeinde die du leitest oder für deinen übergemeindlichen Dienst? Hast du eine Vision für deine Ehe?

Für deine Familie? Weißt du wer du bist und was dir im Leben wichtig ist? Was motiviert dich morgens aufzustehen und hält dich spät abends noch wach?

Kürzlich offenbarte mir mein 8-jähriger Sohn seine Lebensvision. Er sagte: „Nach meinem Studium möchte ich drei Jahre lang Dichtersein, bei American Idol (America sucht den Superstar) mitmachen und dann Profifußballer werden.“ Das kam einfach aus dem Nichts. Und wer weiß? Vielleicht ist es Gottes Plan für sein Leben. Wir entwerfen in jungen Jahren eine persönliche Lebensvision, die sich entwickelt, wenn wir reifer werden. Unsere Vision wird viele Änderungen und Anpassungen durchlaufen. Und für gewöhnlich findet auch ein Ausschlussverfahren statt. Man muss einige Dinge tun, die einem nicht gefallen, um das herauszufinden, was man liebt. Man muss herausfinden, wer man nicht ist, um zu erkennen, wer man ist. All das gehört zu dem Prozess, eine Lebensvision zu entwickeln und danach zu leben.

Sei dich selbst

Als ich Pastor von meiner ersten Gemeinde wurde, versuchte ich ein Pastor zu sein. Vierzehn Jahre später versuche ich, mich selbst zu sein. Das ist ein großer Unterschied. Eine der größten Gefahren des Dienstes ist, die eigene Identität in dem zu suchen, was wir tun oder leisten. Der Dienst wird zu deiner Identität. Genau da stand ich vor ein paar Jahren. Meine Gemeinde bestimmte mein Leben. Und ehrlich gesagt, schien es mir richtig und gut. Dann hatte ich eine Offenbarung. An einem Wochenende schwänzte ich die Gemeindeaktivtäten, was mir einen neuen Blick auf mich selbst, mein Leben und meine Gemeinde eröffnete. Es war das letzte Wochenende der Skisaison und mein Sohn und ich wollten Snowboarden lernen. Diesen Tag werde ich nie vergessen.

Besonders ein Moment hat sich in meine Erinnerung eingeprägt. Wir fuhren mit dem Sessellift auf den Berg und der Schnee blies uns um die Ohren. Da hörte ich die leise Stimme des Heiligen Geistes. In diesem Augenblick auf dem Sessellift erkannte ich, dass mein Leben sich während fast 10 Jahren fast ausschließlich um meine Gemeinde gedreht hatte. Einerseits muss man bei einer Gemeindegründung sein Herzblut investieren – ein gewisses Opfer ist selbstverständlich – andererseits war die Erkenntnis, dass ich außerhalb der Gemeinde kein wirkliches Leben hatte, ernüchternd. Es war als sagte der Heilige Geist: „Fang an zu leben!“

Ich fürchte, dass viele Pastoren, wenn sie ehrlich sind, zugeben müssen, dass sie außerhalb des Gemeindelebens kein Leben haben – keine Hobbys, keine Beziehungen, keine Interessen, keine Ziele, keine Freiräume. Und dann fragen sie sich, warum sie sich im Dienst langweilen oder warum ihre Predigten langweilig sind. Die Lösung? Fang an zu Leben! Oder vielleicht sollte ich sagen: Entdecke deine Lebensvision. Ich möchte fünf Prinzipien aufzeigen, die dir helfen werden deine persönliche Lebensvision zu entdecken und zu definieren.

Schaffe Freiräume

Ich tendiere dazu ein Workaholic zu sein, aus dem einfachen Grund, dass ich meine Arbeit liebe. Aber wenn man nicht vorsichtig ist, wird die Arbeit zur Familie und die Familie zur Arbeit. Ich hatte meine Familie nicht vernachlässigt. In meiner Gemeinde wird sogar gelacht, dass ich meinen Mitarbeitern einbläue: „Deine Familie kommt zuerst.“ Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich meine Worte wirklich umsetzte. Deshalb traf ich einige Entscheidungen, die mir mehr Freiraum schafften.

1. Ich gebe der Gemeinde einen Abend pro Woche. Warum? Weil meine Familie zuerst kommt. Ich muss meinen Kindern mit ihren Hausaufgaben helfen, ich muss ihre Teams trainieren, ich muss meine Kinder erziehen. Und dafür entschuldige ich mich nicht.

2. Ich versuche die Tage an denen ich frei habe auch frei zu machen. Ich schulde es meiner Familie. Ich schulde es meiner Gemeinde. Ich bin ehrlich davon überzeugt, dass ich viel produktiver sein werde, wenn ich an weniger Tagen arbeite. Ich reduzierte meine Lehrwochenenden auf 36 und baute ein Lehrteam auf.

3. Ich entschloss, meinen Reisedienst zu reduzieren. Ich versuchte es mit 30 Tagen, aber es waren immer noch einige Tage zu viel, also reduzierte ich den Reisedienst auf 25 Tage und muss unserem Leitungsteam darüber Rechenschaft ablegen. Diese Freiräume helfen mir, ein Leben außerhalb der Gemeinde aufrecht zu erhalten. Sie helfen mir, außerhalb der Gemeindemauern Beziehungen aufzubauen. Sie erlauben mir, Interessen zu verfolgen, die meine Predigten interessanter machen. Sie erlauben mir, zu meinem Vergnügen zu lesen. Freiräume geben uns den Raum, den wir brauchen, um persönlich und nicht nur als Leiter zu wachsen.

Verändere die Routine

In einem meiner Bücher, Wild Goose Chase (wörtlich übersetzt: die wilde Gänsejagd, was am ehesten der deutschen Redewendung „Haschen nach Wind“ entspricht), erwähne ich eine Formel: „Veränderung des Tempos + Veränderung des Ortes = Perspektivenwechsel.“ Routinen sind gut. Die meisten von uns duschen und benutzen täglich einen Deo. Um deiner Freunde und Familie willen bitte ich dich, diese Routine beizubehalten. Routinen sind ein Schlüssel zu geistlichem Wachstum. Wir nennen sie geistliche Disziplin. Aber wenn die Routine zur Routine wird, müssen wir sie verändern. Wenn ich einen geistlichen Stillstand

erlebe, versuche ich meine Routine zu durchbrechen. Manchmal reicht es schon eine andere Bibelübersetzung zu lesen. Manchmal muss ich einen Tag der Stille oder ein 40-tägiges Danielfasten einschalten. Man muss Wege finden, um geistlich frisch zu bleiben. Wir müssen Wege finden, wieder mit unserer ursprünglichen Berufung in Berührung zu kommen.

Für uns Leiter besteht die Gefahr darin, dass wir unseren Dienst nicht mehr in schöpferischer Kreativität tun, sondern aus unserer Erinnerung heraus. Wir lernen das Wie und vergessen das Warum. Wir hören auf, die Zukunft zu gestalten und fangen an, die Vergangenheit zu wiederholen. Für Leiter ist das der Anfang vom Ende. Einer unserer Kernwerte ist uns in der Gemeinde eine große Hilfe, nämlich: Alles ist ein Versuch. Wir betrachten wirklich alles was wir tun als einen Versuch. Wenn es nicht funktioniert, hören wir auf es zu tun. Und das nimmt den Druck weg. Es gibt dem Leiter einen enormen Freiraum. Wenn es Leute gibt, die gegen eine Vision sind, kann man sie daran erinnern, dass es „nur ein Versuch“ ist. Wir erlebten schon viele gescheiterte Versuche – Dinge, die wir nie wieder tun werden. Aber wir haben keine Angst Fehler zu machen. Wir haben davor keine Angst, weil es bedeutet, dass wir noch nicht genug Neues versucht haben.

Bete, bete, bete

Gebet ist eine Form des Träumens. Nichts wird dein Leben so abenteuerlich machen wie Gebet. Wenn du ein regelmäßiges Gebetsleben pflegst, wird es dein Leben vor der Routine bewahren. Im Gebet bekomme ich Gottes Ideen. Und ich bekomme lieber eine Idee von Gott als tausend andere Ideen. Im Gebet pflege ich den Glauben an meine Bestimmung. Im Gebet erkenne ich die Aufforderungen des Heiligen Geistes. Und indem ich diesen geistgeführten Aufforderungen folge, erhalte ich meine Lebensvision.

Die keltischen Christen hatten einen Namen für den Heiligen Geist, der mich fasziniert: an Geadh-Glas oder „die Wildgans.“ Ich liebe dieses Bild und seine Implikationen. Dieser Name weist auf die geheimnisvolle Natur des Heiligen Geistes hin. Ähnlich wie eine Wildgans kann auch der Geist Gottes weder gejagt noch gezähmt werden. Etwas Gefährliches und eine Art Unvorhersehbarkeit umgeben ihn. Und obwohl der Name im ersten Moment etwas respektlos klingt, finde ich kein besseres Beispiel, um die Suche nach der Leitung des

Heiligen Geistes im Leben zu beschreiben, als dieses Unterfangen mit einer Jagd nach einer Wildgans zu vergleichen. Die keltischen Christen haben hier etwas erkannt, was die institutionalisierte Christenheit übersehen hat.

Und ich frage mich, ob wir die Flügel der Wilden Gans gestutzt haben und uns mit viel weniger zufrieden geben als das geistliche Abenteuer, das Gott ursprünglich geplant hatte.

Wenn du auf die Jagd nach der Wilden Gans gehst, wird er dich auf Wege führen, von denen du nicht einmal wusstest, dass es sie gibt. Jesus sagte: „Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist“ (Johannes 3,8). Was ich sagen möchte ist dies: Es gibt keinen Ersatz für das Gebet. Es gibt nichts, was dein Leben so abenteuerlich machen wird wie das

Gebet. Je mehr du betest, je grösser wird deine Vision werden.

Setze Lebensziele

Ich habe kürzlich drei Lebensziele in einer Woche erreicht. Mein Sohn und ich wanderten durch den Grand Canyon. Wir ritten auf Maultieren am Rand des Grand Canyon und machten einen Helikopterrundflug über den Canyon. Es war mehr als eine Ferienreise. Es war eher eine Wallfahrt. Mein Sohn hatte an seinem 12. Geburtstag ein Jüngerschaftsversprechen unterzeichnet, das drei Herausforderungen enthielt: eine geistliche, eine intellektuelle und eine körperliche. Die Reise war die Belohnung für die Ziele, auf die wir uns gemeinsam geeinigt hatten. Weißt du warum die meisten von uns vom Leben nicht bekommen, was wir wollen? Weil wir nicht wissen, was wir wollen. Ziele, die du nicht setzt, wirst du nicht erreichen. Wenn du deine persönliche Lebensvision definieren willst, musst du dir einige Lebensziele setzen. Ich weise auf meinen letzten Punkt hin und bitte dich, deine Zielsetzung im Kontext des Gebets zu tun. Wenn du dir nämlich nur einen Haufen egoistischer Ziele setzt, wäre es besser, du erreichst sie nicht. Aber wenn du sie im Kontext des Gebets setzt, werden Lebensziele ein Ausdruck des Glaubens. „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft“ (Hebräer11,1).

Wenn du etwas Starthilfe brauchst, findest du unter www.chasethegoose.com ein kostenloses Download von 10 Steps To Setting Life Goals (Siehe Artikel: In 10 Schritten Lebensziele setzen). Das Setzen von Zielen hat mir dabei geholfen, ein Leben neben meiner Arbeit als Pastor zu bekommen. Ich habe Familienziele, Einflussziele, körperliche Ziele und Reiseziele. Merkst du, dass ich keine geistlichen Ziele habe? Der Grund ist der, dass alle davon geistlich sind. Ich hoffe, dass jedes Ziel ein Ausdruck davon ist, dass ich alles was Gott mir gab, gut verwalte. Und es muss den echten Lackmustest bestehen: Wird Gott dadurch verherrlicht? Nicht jedem fällt es leicht Ziele zu setzen. Aber wenn wir keine Ziele verfolgen, werden wir uns mit der Routine zufrieden geben. Und wir fangen an so zu leben, als sei es unser Ziel, unser Lebensende möglichst unbeschadet zu erreichen. Gott hat dich dazu berufen offensiv zu leben und genau das bewirken Ziele. Sie bringen uns in die Offensive.

Bleib hungrig, bleib verrückt

Wenn ich wählen müsste zwischen jemanden mit großem Wissen oder jemandem mit einem großen Lernhunger, würde ich mich immer für die Person mit großem Lernhunger entscheiden. Mit der Zeit verlieren viele von uns ihren heiligen Hunger: Hunger nach Leben, Hunger nach Abenteuer, Hunger nach dem Übernatürlichen, Hunger nach dem Wort Gottes. Wenn du deine Lebensvision definieren willst, musst du einen heiligen Hunger für die Dinge Gottes pflegen. Man muss auf den Geschmack dafür kommen. Eine Vision zu erhalten, bedeutet hungrig zu bleiben. Es bedeutet auch etwas verrückt zu bleiben. Ich bin sicher, dass sich Noah verrückt fühlte, als er die Arche baute. David fühlte sich verrückt, als er Goliat gegenüber stand. Die Israeliten fühlten sich verrückt, als sie um Jericho herum marschierten. Die Weisen Männer fühlten sich verrückt dabei, einem Stern zu folgen. Und Petrus fühlte sich verrückt, als er aus dem Boot stieg. Aber Glaube ist die Bereitwilligkeit verrückt auszusehen, und die Ergebnisse sprechen für sich.

Noah überlebte die Flut. David besiegte Goliat. Israel nahm Jericho ein. Die Weisen fanden den Messias. Petrus ging auf dem Wasser. Und Jesus wurde von den Toten erweckt. Wenn du

nicht bereit bist verrückt auszusehen, bist du verrückt. Ich las kürzlich eine Rede, die Steve Jobs am 12. Juni 2005 an der Abschlussfeier der Stanford Universität gehalten hat. Die Ironie besteht darin, dass Jobs nie ein Studium abgeschlossen hat. Ich liebe seine abschließenden Worte: „ Als ich jung war, gab es eine großartige Publikation mit dem Titel „The Whole Earth Catalog“, die zu einer der Bibeln meiner Generation wurde. Der Herausgeber war Stewart Brand, der nicht weit von hier in Menlo Park lebte. Mit seiner poetischen Ader hauchte er dem Werk Leben ein. Es war eine Art Google in Taschenbuchform, 35 Jahre vor Google.

Es war idealistisch und strotzte nur so vor wunderbaren Ideen. Stewart und sein Team veröffentlichten mehrere Ausgaben des „Whole Earth Catalog“, und schließlich gab es noch eine allerletzte Ausgabe. Auf der Rückseite der letzten Ausgabe standen die Worte: „Stay Hungry. Stay Foolish“ – grob übersetzt: „Bleib hungrig. Bleib verrückt.“ Ich habe mir das immer für mich gewünscht. Und nun, da Sie Ihr Studium abschließen und einen Neubeginn machen, wünsche ich das auch Ihnen: Bleiben Sie hungrig. Bleiben Sie verrückt.“ Möchtest du deine Lebensvision definieren? Bleib hungrig. Bleib verrückt.

Mark Batterson ist Author und Hauptpastor der National Community Church (Assemblies of God), in Washington, D.C. USA. http://www.markbatterson.com/ FLG hat vom Autor des Artikels und INSPIRATION die Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Artikels erhalten. INSPIRATION ist eine verkürzte Version der Zeitschrift ENRICHMENT, die von den Assemblies of God, USA, herausgegeben wird. INSPIRATION dient den Bedürfnissen von deutschsprachigen Pastoren und stellt theologisch-biblisch relevante, up-to-date Artikel für die Arbeit von Gemeindeleitern und Pastoren zur Verfügung. http://enrichmentjournal.ag.org/International/German/index.cfm