Paul Clark

„Berufung entspringt aus dem, wer wir sind, aber gleichzeitig formt sie uns in das, was wir sein werden. Sie hat die Komponenten des Seins und des Tuns. Berufung fordert von uns eine Beziehung zu Gott, die in die Tiefe geht und ist nicht nur eine Funktion oder Aufgabe, obwohl sie auch klare aufgabenbezogene Komponenten hat.“ (Reggie McNeal)

Ich erinnere mich noch an eine Konferenz, die ich vor vielen Jahren besuchte. Dort berichtete ein Pastor, der seit 25 Jahren im Dienst stand, dass von den 27 Absolventen seines damaligen Bibelseminars nur noch zwei im Pastorendienst aktiv waren. Im Lauf der Jahre habe ich auch von anderen Pastoren gehört, dass viele ihrer Kommilitonen aus dem Bibelseminar den Pastorendienst schon sehr früh niedergelegt haben.

Die Gründe, warum Männer und Frauen den Pastorendienst quittieren, sind sehr vielfältig, deshalb lässt sich keine pauschale Aussage darüber treffen, was diese Menschen zu ihrer Entscheidung treibt. In einem Beitrag zum Thema „Ausscheiden aus dem Pastorendienst“ gehe ich auf sechs große Herausforderungen ein, die ein „Dauerbrenner“ sind. Vor ihnen wird früher oder später jeder Gemeindeleiter und jede Gemeindeleiterin stehen.

Kürzlich sprach ich mit Christoph Kipping, dem Pastor der Freien Christengemeinde Lindau. Er traf im Hinblick auf die Frage, warum so viele Menschen dem Pastorendienst den Rücken kehren, eine sehr tiefgründige Aussage:

„Meiner Meinung nach besteht das Problem darin, dass die Ansprüche der betreffenden Personen der Realität komplett entgegengesetzt sind. Wenn sich das, was man von sich selbst, von Gott oder der Gemeinde erwartet, nicht erfüllt, weil die Realität oft auch nach jahrelangem Dienst noch völlig anders aussieht, entsteht unweigerlich großer Frust. Jona ist dafür, so Eugene Peterson, ein gutes Beispiel. Er sollte nach Ninive gehen und dortGottes Auftrag ausführen, aber er floh nach Tarsus. Tarsus galt in der damaligen Zeit als die perfekte Stadt – ein Ort, an dem einfach alles passte. Die Gemeinde dagegen – das sieht man auch in den Briefen des Neuen Testaments – ist einfach oft ein „niniveartiger“ Ort.  Aber genau DORTHIN, und nicht nach Tarsus, hat Gott uns berufen. Wenn wir diese Tatsache akzeptieren, schützt uns das davor, frustriert zu werden.“

Heute ist es mir fast peinlich einzugestehen, dass ich in jüngeren Jahren den Anspruch hegte, eines Tages der Pastor einer Gemeinde mit tausend Gottesdienstbesuchern zu sein. In der ersten Gemeinde, die ich in Deutschland gründete, war ich davon sogar so überzeugt, dass ich vor der gesamten kleinen Gruppe verkündete, dass eine Zeit kommen würde, in der jede Woche tausend Menschen unseren Gottesdienst besuchten. Natürlich gab es in Saarbrücken unzählige kirchenferne Menschen, und ich wusste damals wie heute, dass Gott nicht will, dass auch nur einer verlorengeht. Aber auch wenn ich mit meinem Anspruch gute Absichten hegte, musste ich diesen – wie auch viele kleinere Ansprüche in meiner vierzigjährigen Dienstzeit – schließlich der Realität unterordnen.

Es gab eine Zeit in meinem Leben, die ich nie vergessen werde. Ich war damals 42, und die „Realität“ des Pastorendienstes brach auf höchst unangenehme Weise über mich und meine Frau herein. Wir tauschten uns damals mit einem befreundeten Pastorenehepaar aus, das gerade in einer ähnlichen Situation steckte. Wir dachten sogar ernsthaft darüber nach, ein Geschäft zu gründen und beruflich etwas völlig anderes zu tun, statt uns auf die „Realität“ des Gemeindealltags zu konzentrieren. Ich danke Gott, dass sich die Pläne, die wir in unserer Frustration schmiedeten, weder für das andere Paar noch für uns verwirklicht haben. Gott hat uns in seiner Gnade und Geduld schnell wieder zu unserer Berufung zurückgeführt.

Mein Freund Christoph hat gut auf den Punkt gebracht, was uns den Rücken dafür stärkt, im Dienst zu bleiben:

„Wenn man sich von Gott berufen weiß, kann das Gefühl einer ‚inneren Verpflichtung‘ gerade in schwierigen Zeiten das entscheidende Momentum sein, das uns davon abhält, aufzugeben. Genauso wie es in schweren Zeiten einer Ehe nur noch das Eheversprechen, der vor Gott geschlossene Bund sein kann, der sie trägt, kann uns diese innere Verpflichtung, unserer Berufung, dem Ruf Gottes zu folgen, aufrechterhalten.“

Eugene Peterson, der im letzten Jahr verstorbene Autor zahlreicher christlicher Bücher, schrieb einmal an einen jungen Pastor:„Deine Ausdrucksform wie ich meinen Weg als Pastor fand hat mich berührt. Wenn ich auf mein Leben als Pastor zurückblicke, dann habe ich immer ein gewisses Chaos vor Augen: Was bin ich herumgestolpert, habe unsicher herumgetastet, meinen Weg aus den Augen verloren und dann wiedergefunden. Es ist wirklich erstaunlich, dass überhaupt etwas dabei herausgekommen ist.“

Ich glaube, Paulus kannte das Spannungsfeld zwischen Anspruch und Realität, in dem wir alle stecken, denn er ließ Archipels wissen: „Archipels sollt ihr Folgendes ausrichten: »Vernachlässige den Auftrag nicht, den du als ein Diener des Herrn erhalten hast, sondern führe ihn vollständig aus!«“ Kolosser 4, 17 NGÜ

NEVER FORGET: Deine Berufung ist ein Geschenk Gottes an dich. Und deine Berufung ist ein Geschenk für die Menschen, denen du dienst. Gott macht keine Fehler!

Möge Gott dich und deine Familie stark segnen!

Paul

P.S. Ich hoffe, die folgenden Beiträge werden dich und dein Mitarbeiterteam ermutigen. Ich bin immer dankbar für Feedback. Vorschläge, wie der Forum-E-Letter und die verschiedenen Beiträge verbessert werden könnten, sind mir stets willkommen!


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Paul Clark