Weltweites Gemeindewachstum geschieht vor allem durch kleine Gemeinden

Wenn wir von Gemeinden hören, die innerhalb kürzester Zeit numerisch stark wachsen, sind wird stets begeistert und das zu Recht. In 2015 hatte ich das Vorrecht, live das inspirierende Zeugnis von Pastor Wilfredo De Jesús zu hören. Er übernahm im Jahr 2000 eine Gemeinde in Chicago mit 120 Gottesdienstbesuchern, die innerhalb fünfzehn Jahre auf mehr als 17.000 Gottesdienstbesucher, verteilt auf mehrere Standorte in Chicago und Umgebung, gewachsen ist. Sein Bericht hat mich stark begeistert, und bin immer noch davon total inspiriert und angeregt! 

Als Gemeindegründer mit mehr als fünfunddreißig-jähriger Diensterfahrung weiß ich jedoch auch, was es bedeutet, Gottesdienste vor sehr kleinen Menschengruppen abzuhalten. Es braucht viel Glauben und einen langen Atem, weiterzumachen, wenn die Zahlen selbst nach mehreren Jahren harter Arbeit gering bleiben.   

Übrigens ist nicht jede Gemeinde in den USA eine Megagemeinde! Die meisten nordamerikanischen Christen besuchen eine Gemeinde mit weniger als einhundert Gottesdienstbesuchern und nur 2% von ihnen sind regelmäßig in einer Gemeinde mit mehr als 1.000 Gottesdienstbesuchern. Im direkten Vergleich dazu haben etwas ein Drittel der Gemeinden im BFP (Deutschland) weniger als 25 Mitglieder und 59% BFP Gemeinden haben weniger als fünfzig Mitglieder. Fast 80% aller BFP-Gemeinden haben einhundert oder weniger Mitglieder (BFP Statistik von 2019), und bei den anderen Freikirchen im Lande sieht es nicht viel anders aus.

Einmal las ich in einem Artikel von Eric Moore folgendes: „Mein Onkel war vierzig Jahre lang Pastor einer kleinen Gemeinde. Ich erinnere mich daran, beim Besuch einer seiner Gottesdienste im Hinterkopf zu grübeln, was wohl mit dem Dienst meines Onkels nicht in Ordnung sei. Ich nahm stark an, dass seine Leiterschaft wohl einige Mängel aufweisen müsse – bis Gott mich dazu beruf, selbst Pastor einer kleinen Gemeinde zu werden.“

in Pastor schreibt, wie er vor einigen Jahren mit anderen Pastoren sprach, nachdem seine kleine Gemeinde in finanzielle Not geraten war: „Neben einigen guten Gesprächen, Ratschlägen und Gebetsangeboten, sagten mir andere, dass ich ‚den Laden’ besser zumachen solle. ‚Einen Versuch war es Wert, aber Segen scheint nicht drauf zu liegen!’ Ein Leiter sagte mir einmal, dass ihn kleine Gemeinde mittlerweile ‚ankotzen’ würden! Die Leiter dort hätte einfach zu wenig Mut, Vision und Glauben!“

Mir gegenüber hat einmal ein BFP-Kollege sein Herz weit geöffnet: „Sehr schmerzlich ist für mich die unterschwellige Kultur der Konkurrenz, des Vergleichs und das daraus geborene Misstrauen und Abgrenzen in unseren Verband. Ein Beispiel dafür ist, dass wir kaum den ‚normalen Pastor’ als Redner auf den Konferenzbühnen erleben. Es sind die ‚erfolgreichen, innovativen’ Leiter großer Gemeinden, die unsere Aufmerksamkeit bekommen. Das löst ein permanentes Vergleichen aus und ein Schauen auf die daraus resultierenden Defizite, die vielleicht dann als Versagen wahrgenommen werden.“

Man könnte in Bezug auf Gemeindearbeit die Frage stellen, ob Erfolg eigentlich nur in Zahlen zu verstehen ist? Interessanterweise werden im Neuen Testament nur zweimal in Zeiten der Erweckung in Jerusalem überhaupt Zahlen angegeben. Bei der Geburtsstunde der Gemeinde zu Pfingsten ließen sich nach der Predigt von Petrus dreitausend Menschen in Apg. 2,41 taufen. Später in Apg. 4,4 steht: „ …die Zahl der Männer stieg auf etwa fünftausend.“ Ansonsten liest man sehr viel über die Wichtigkeit der Ortsgemeinde im Neuen Testament ohne dass Zahlenangaben gemacht werden.        

Versteht mich bitte nicht falsch: Ich bin keinesfalls gegen große Gemeinden, sondern ich bin sogar sehr dafür! Große Gemeinden sind ein Segen für unser Land, und sie genießen eine besondere geistliche Einflussnahme in ihrer Region und auch darüber hinaus. Aber wenn wir unseren Erfolg im Gemeindedienst nur über Zahlen definieren, dann schneiden die meisten von uns recht arm ab. Als Kinder haben einige von uns sicherlich mit unserem neusten Spielzeugen angegeben nach dem Motto: „Hast du was, bist du was!“ Als Erwachsene ist uns diese Einstellung in vielen Lebensbereichen auch nicht gänzlich unbekannt. Kevin DeYoung schreibt: „Es gibt keinerlei biblische Lehre die belegt, dass die Größe einer Gemeinde das Ausmaß des Erfolgs festlegt.“ Meiner Meinung nach wird uns oft aus unserer Unsicherheit heraus durch Vergleichsdenken unsere Freude am Herrn geraubt.

Ich bin begeistert von Karl Vaters Webportal Helping Small Churches Thrive, durch welches er kleine Gemeinden und deren Leiter ermutigen möchte und ihnen Hochachtung zollt: „Wir reden oft darüber, wie viele kleine Gemeinden es gibt. Doch fast überall werden sie eher als Problem angesehen, das es zu lösen gilt, und nicht als wertvolles Gut, das unterstützt und gestärkt werden muss. Ich unterstütze gesunde, kleine Gemeinden nicht, weil ich meinen würde, zahlenmäßiges Wachstum sei unbedeutend. Ich unterstütze kleine Gemeinden, weil in ihnen weltweit das meiste Gemeindewachstum vonstatten geht. Durch den Dienst von kleinen Gemeinden kommen mehr Menschen in eine Beziehung zu Jesus Christus, werden in der Nachfolge Jesu geschult und werden dann in Dienste ausgesandt, als durch alles andere.“

Untersuchungen von Christian Schwarz, Ed Stetzer und anderen belegen, dass zehn Gemeinden mit weniger als jeweils einhundert Mitgliedern effektiver darin sind, verlorene Menschen zu erreichen, als eine Gemeinde mit eintausend Gottesdienstbesuchern. In der Forschung für meine Doktorarbeit habe ich festgestellt, dass innerhalb des BFP zwischen 1945 bis 2005 Gemeinden mit weniger als einhundert Mitgliedern mehr Tochtergemeinden (22) gegründet haben als Gemeinden mit mehr als einhundert Mitgliedern (18).

Wenn Jesus sagt: „Ich werde meine Gemeinde bauen …“, dann beinhaltet das alle Gemeinden, klein oder groß, egal welcher Prägung oder Konfession. Große Gemeinden sind nicht besser als kleine Gemeinden, sondern einfach anders. Wenn du in einer kleinen Gemeinde dienst oder ihr vorstehst, dann möchte ich Dir Beifall zollen dafür, dass du treu auch unter schwierigen Bedingungen deinem Herrn dienst. Deine Investition in Gottes Reich und Deine Opferbereitschaft sind sehr wertvoll und hoch zu achten. Du hast es nicht nötig, deine Gemeinde mir andern zu vergleichen. Der Apostel Paulus erinnert uns: „Lasst uns daher nicht müde werden, das zu tun, was gut und richtig ist. Denn wenn wir nicht aufgeben, werden wir zu der ´von Gott` bestimmten Zeit die Ernte einbringen.“ (Gal. 6,9 NGÜ)

Paul hat mit seiner Frau Mechthild Gemeinden im Saarland, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Bregenz, Österreich gegründet. Paul dient zurzeit als Coach und Mentor in verschiedenen Gemeindegründungsprojekten und berät etablierte Gemeinden in Zeiten großen Umbruches. Paul hat auch das Forum für Leiterschaft im Gemeindebau’ ins Leben gerufen, durch das Online Ressourcen zur Ermutigung für Pastoren und Gemeindeleiter in ihren Dienst bereitgestellt werde: Etwa einmal im Monat versendet Paul per E-Mail ein „E-Letter,“ der die Pastoren und Gemeindemitarbeiter in ihrem Dienst ermutigen soll. Hier anmelden!