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19.11.14 E-Letter – Erfolg kontra Vergleichsdenken

E-Letter von Paul Clark November 2014

Erfolg kontra Vergleichsdenken

„Derjenige ist erfolgreich, der gut gelebt, oft gelacht und viel geliebt hat!“ (Aus einem Gedicht von Bessie Anderson Stanley)

Am 09. November 2014 hatte ich das Vorrecht, eine weitere Gemeindegründung an einen neuen Pastor und seine Frau zu übergeben, die, davon bin ich überzeugt, diese Gemeinde auf eine höhere Ebene in Bezug auf geistliches und numerisches Wachstum bringen werden. Irgendwie plagte mich jedoch in den vergangenen Tagen ein Gedanke: „Es sollten eigentlich bereits mehr Mitglieder in dieser Gemeinde sein nach sechs Jahren harter Arbeit.“ Wir kennen die folgenden Worte von Paulus auswendig, aber wir tun uns schwer, sie im Herzen umzusetzen: „Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen; aber Gott hat das Gedeihen gegeben.“ (1 Korinther 3,6)

Das „es sollten eigentlich bereits mehr…“ ­–Denken ist sicherlich nicht völlig „ungeistlich“, aber eine solche Einstellung kann uns sehr schaden, wenn wir in unserem Dienst als Pastor und Gemeindeleiter nicht eine wirklich ausgewogene Perspektive dazu entwickeln. „Es sollten eigentlich bereits mehr …“ ist auch relatives Denken. Ich erinnere mich daran, wie ich vor vielen Jahren in einer Gemeinde in Florida unsere Gemeindegründungsarbeit in Saarbrücken vorstellte. Während dem Lobpreis neben dem Hauptpastor der Gemeinde in der ersten Reihe sitzend, spürte ich, dass er geradezu unglücklich wirkte. Während seiner Predigt war glücklicherweise nichts von seinem Unbehagen zu merken. Aber nach dem Gottesdienst erklärte er mir dann seinen Frust: „Es waren heute nur gerade mal 2.700 Leute im Gottesdienst!“  Für ihn war die Zahl 3.000 das Maß aller Dinge. Damals habe ich innerlich nur den Kopf schütteln können. Heute würde ich meinem Bruder  keinen Vorwurf mehr machen, weil ich über die Jahre diesen Frust selbst viel zu gut kennengelernt habe, auch wenn meine „es sollten eigentlich mehr …“–Erwartungen zahlenmäßig sehr viel bescheidener ausfallen.

Du kennst das sicherlich auch: Lange plant man den besonderen Gottesdienst oder Event! Dann kommt der große Tag und der Raum ist halb leer, weil manche Mitglieder einen Familientag machen, die Oma besuchen, oder die Katze als Notfall zum Tierarzt muss. Aber ein gesegneter Gemeindedienst ist sehr viel mehr  als dieses „es sollten eigentlich mehr …–Denken. Gemeindedienst bedeutet ganz einfach, ein Menschenleben nach dem anderen zu berühren und zu sehen, wie Gott verändert.

Beim Verabschiedungsgottesdienst am 09. November 2014 waren drei Geschwister anwesend, die während unserer Gemeindegründungszeit in Saarbrücken in den Achtziger Jahren (des vergangenen Jahrhunderts) Jesus ihr Leben anvertraut haben. (Jetzt weißt Du, dass ich nicht mehr ein so ganz  junger Hüpfer bin!) Am Montag bekam ich ein Email von einer dieser drei Personen: „Ohne Euch hätte ich den Weg zu JESUS wohl nicht gefunden. Und ohne Euch auch unser Sohn nicht. Auch bei unseren anderen Kindern gibt es schlafende Samenkörner.“ Wow! Dieses Mail hat meiner Frau und mir sehr viel Mut gemacht!

Versteh’ mich bitte nicht falsch. Ich bin nicht gegen „mehr“ Menschen im Gottesdienst, sondern ich bin sogar sehr dafür. Aber wenn wir unseren Erfolg nur über Zahlen definieren, dann schneiden wir alle recht arm ab. Vor einigen Jahren hat mir ein Pastorenkollege sein Herz weit geöffnet:

So schmerzlich für mich ist die unterschwellige Kultur der Konkurrenz, des Vergleichs und das daraus geborene Misstrauen und Abgrenzen in unseren Verband. Ein Beispiel dafür ist, dass wir kaum den ‘normalen Pastor’ als Redner auf den Konferenzbühnen erleben. Es sind die ‚erfolgreichen, innovativen’ Leiter großer Gemeinden die unsere Aufmerksamkeit bekommen. Das löst ein permanentes Vergleichen aus und ein Schauen auf die daraus resultierenden Defizite, die vielleicht dann als Versagen wahrgenommen werden. So geht das Herz zu. Was meinem Empfinden nach fehlt, generell gesprochen, ist ein gegenseitiges Begegnen in hoher Wertschätzung und ernstgemeintes Interesse und Freude über den Dienst meiner Geschwister im Königreich unseres Herrn. Unabhängig von der Größe einer Gemeinde. Symptomatisch für das Gegenteil ist die sich immer wiederholende Frage in Erstkontakten: Wie groß ist deine Gemeinde? Egal in welchem Gemeindebund, und ich kenne jetzt vier, diese Frage wird immer zuerst gestellt.“

Als Kinder haben einige von uns sicherlich mit ihren neusten Spielzeugen angegeben nach dem Motto: „Hast du was, bist du was!“ Als Erwachsener ist uns in vielen Lebensbereichen diese Haltung auch nicht unbekannt. Kevin DeYoung schreibt: „Es gibt keinerlei biblische Lehre, die belegt, dass die Größe einer Gemeinde das Ausmaß des Erfolgs festlegt.“ Ich meine, dass uns oft aus unserer Unsicherheit heraus Vergleichsdenken unsere Freude am Herrn  raubt.

Der dänische Philosoph und Theologe Sören Kierkegaard sagte: „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“ Erfolg oder Segen für mich als Mitarbeiter in Gottes Reich bedeutet, Gottes Willen zu erkennen und Gottes Willen zu tun. Ich gebe zu, dass es nicht immer leicht ist in den Situationen unseres Dienstes, in denen manches schief zu laufen scheint, Gottes Willen zu erkennen. Trotzdem beten wir im Glauben und nicht im Schauen: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.“

So nun: Was ist mit all den Frauen und Männern in Gottes Reich, die aus unserer Einsicht extrem viel Erfolg erzielt haben? Sicherlich sind sie sehr begabt, sie haben wahrscheinlich fleißig gearbeitet, vermutlich haben sie auch sehr, sehr viel gebetet. Aber letztendlich hoffe ich, dass die meisten von ihnen zugeben würden: „Ich habe viel Gnade empfangen.“ T. D. Jakes, Pastor einer Megagemeinde aus Dallas, schreibt: „Favor isn’t fair.“ (Gunst/Gnade ist nicht fair.)  Gott schenkt uns in seiner Gnade die Anzahl von Gaben und die Art von Gaben wie er will und wann er will. Es liegt nun an uns, treu mit dem umzugehen, was Gott uns anvertraut hat. (Lukas 16,10)

Ich mag diesen Cartoon sehr:

carrot

Die Worte des amerikanischen Schriftstellers Henry Wadsworth Longfellow finde ich für uns, die wir im Dienst in der Gemeinde stehen, sehr wertvoll: „Das Geheimnis von Erfolg ist es, das, was man tun kann, gut zu tun. Und alles gut zu tun, ohne nach Ruhm zu streben.“ Es wird immer Menschen geben, die in meinen Augen viel mehr erreichen als ich selber, aber das soll mich nicht daran hindern, dem Herrn treu zu dienen mit den Gaben, die er mir anvertraut hat. Lasst uns nie vergessen, dass wir für viele Menschen ein großer Segen sind, auch wenn wir niemals auf einer Willow Creek Konferenz oder einer ähnlichen Veranstaltung als Referent gedient haben oder dienen werden.

Lass’ nicht zu, dass dir dein Vergleichsdenken deine Freude am Herrn raubt. „Wenn wir uns immer wieder mit anderen vergleichen, geben wir Gott nicht die Ehre. Wir sind dann undankbar für das, was Gott uns gegeben hat.“ (Fred Price). Gottes Wort bleibt immer unser Maßstab, auch was Anerkennung betrifft!  „Denn Gott ist nicht ungerecht, dass er vergäße euer Werk und die Liebe, die ihr seinem Namen erwiesen habt, indem ihr den Heiligen dientet und noch dient.“ (Hebräer 6,10)

Möge  Gott dich heute STARK SEGNEN!

Paul

Hier nun das ganze Gedicht von Bessie Anderson Stanley:

Was Erfolg ist
~~

Es hat derjenige Erfolg gehabt,

der gut gelebt, oft gelacht und viel geliebt hat.

Der sich Vertrauen und Achtung kluger Menschen verdiente

und die Liebe von kleinen Kindern.

Der seinen Platz fand und seine Aufgabe erfüllte;

der die Welt besser verließ, als er sie vorfand,

sei es durch schöne Blumen, die er züchtete,

ein vollendetes Gedicht oder eine gerettete Seele.

Es hat derjenige Erfolg gehabt,

dem es nie an Dankbarkeit fehlte

und der die Schönheit unserer Welt zu schätzen wusste

und der nie versäumte, dieses auszudrücken;

der in anderen immer nur das Beste suchte

und von sich das Beste gab;

dessen Leben eine Inspiration war

und die Erinnerung an ihn ein Segen.

Bessie Anderson Stanley schrieb dieses Gedicht 1904 anlässlich eines Wettbewerbs im Brown Book Magazine in Boston, Massachusetts.