Laura Leonhard und Karl Vaters

Nicht alle kleinen Gemeinden sind gleich. Klar: Manche Gemeinden sind klein, weil ihre Leitenden nicht genug Vision oder Gaben haben, um ihre Umgebung zu erreichen. Aber der überall vorherrschende Wachstums-Druck hält manche Gemeinden auch davon ab, Vorteile aus ihren eigentlichen Stärken zu ziehen und ihr Potential auszuschöpfen. Karl Vaters war 21 Jahre Pastor einer kleinen Gemeinde in Kalifornien. Jahre, in denen es auf und ab ging. Heute hat die Gemeinde zu ihrer Mission gefunden: die bestmögliche kleine Gemeinde zu sein. In seinem Buch „The grasshopper myth“ ermutigt Vaters die Aktiven kleiner Gemeinden, größer zu denken, indem sie kleiner denken: Wie können kleine Gemeinden ihre Nische finden und zu genau der kleinen Gemeinde werden, zu der Gott sie beruft?

Wie kam es, dass Sie sich speziell als Pastor einer kleinen Gemeinde sehen?

Als Rick Warrens Buch „Kirche mit Vision“ kam, hat das bei uns alles auf den Kopf gestellt. Wir alle lasen es und wir wuchsen von 75 auf rund 200 Menschen an. Jetzt waren wir an dieser berühmten 200er-Schwelle – ich las alles darüber, fuhr zu Konferenzen und schließlich wuchsen wir auf 400. Aber nach etwa einem Jahr auf diesem Niveau ging auf einmal alles bergab – wir schrumpften so schnell, das ich aufhörte zu zählen. Als wir dann nur noch bei reichlich hundert Leuten waren, ging es mir geistlich und emotional richtig schlecht. Ich hatte doch alle Regeln beachtet – aber es hatte nicht funktioniert!

Ein ehemaliger Pastor hat mich in dieser Situation begleitet. „Du musst den Begriff ‚Erfolg‘ neu definieren“, sagte er. Ich hätte ihm dafür am liebsten eine reingehauen. Das klang danach, dass ich ein schlechter Hochspringer war und mir deswegen einfach die Latte niedriger legen sollte – dann hätte ich wieder Erfolg. „Vergiss die Latte“, meinte er. „Die Latte liegt links, Erfolg ist rechts!“ Es dauerte etwas, bis ich das voll verstand – seiner Meinung nach ging es bei Erfolg nicht um die Zahl belegter Stühle. Gott hat uns wohl einfach eine kleine Gemeinde gegeben. Der Aufwand, daraus eine große zu machen, liegt jenseits meiner Begabung und ist vielleicht auch einfach nicht Gottes Ruf für uns. Wenn wir also kleine Gemeinde sein sollten, dann konnte Erfolg nur bedeuten, die beste kleine Gemeinde zu sein, die wir sein können.

Können Zahlen denn dann überhaupt Ziel für eine Gemeinde sein?

Zahlen sind kein gutes Ziel. 80% der Gemeinden weltweit haben weniger als 100 Besucher, 90% weniger als 200. Was, wenn das Teil einer Strategie wäre, die Gott nutzen – und nicht ein Problem, das Gott reparieren will? Trotzdem will ich nicht vorschnell sagen, dass Gott einige Gemeinden eben dazu beruft, klein zu sein.

Meine Vision und mein Dienst, kleine Gemeinden zu feiern, fokussiert nicht auf Selbstgenügsamkeit. Aber es ist eine ganz andere Ausstattung mit Gaben erforderlich, um eine Gemeinde über der 200 Besucher-Schwelle zu leiten. Und ganz klar: Auch die großen Gemeinden sind wichtig, das sind gute Arbeiten. Aber mein Ruf und meine Gaben gehen nicht in diese Richtung. Und ich glaube, das gilt für die Mehrheit der Pastoren: Die meisten von uns sind ihrem Herzen nach eher Hirten. Denen wird dann erzählt, sie müssten Rancher oder Groß-Unternehmer werden. Aber was tun, wenn wir das nun mal nicht sind?

  • 56, Prozentzahl der USA-Gemeinden mit weniger als 100 Mitgliedern.
  • 94, Prozentzahl der USA-Gemeinden mit weniger als 500 Mitgliedern.
  • 186, Durchschnittliche Gottesdienst-Besucherzahl aller US-Gemeinden
  • 850, Zahl der Mega-Churches (mehr als 2.000 Besucher) – im Gegensatz zu 350.000 Gemeinden insgesamt.

Besser, Laut der US-Congregational Life Survey schneiden kleine Gemeinden deutlich besser ab bei der Förderung geistlichen Wachstums, beim Teilen des Glaubens, aktiver Mitarbeit und ermächtigender Leiterschaft. Quelle: Hartford Institute

Wie kann man das Negative am Begriff „kleine Gemeinde“ überwinden?

Wer eine kleine Gemeinde leitet, muss sich klar machen, dass das in sich eine wertvolle und ausreichende Aufgabe ist. Ich kam an den Punkt, dass ich mich und meine Gemeinde verachtete und sauer auf Gott wurde, weil unsere Gemeinde so klein blieb. Als ich Erfolg neu definierte, habe ich mich am Ende gefragt, wie ich je darauf kommen konnte, verärgert über Gott zu sein, weil er mir eine so wunderbare, gesunde, lebendige kleine Gemeinde gegeben hatte. Das ist doch wertvoll in sich!

Manche Sachen können kleine Gemeinden einfach besser. Es gibt Menschen, die ermutigt die Menschenmenge der großen Gemeinden, weil sie erinnert werden, dass sie Teil von etwas Großem sind. Andere finden anonyme Menschenmengen eher beängstigend, sie fühlen sich angezogen durch die kleine überschaubare Gruppe, in der man sich kennt. Wenn es nur den einen Typ Gemeinde gibt, verlieren wir diejenigen, die es anders mögen.

Was möchten Sie Pastoren kleiner Gemeinden sagen?

Ihr braucht nicht einen Euro, nicht einen Besucher und nicht einen Quadratmeter Gebäudefläche mehr, um genau das zu sein, wozu Gott euch gerade jetzt beruft! Wartet nicht auf eine ferne Zukunft mit mehr Leuten, um dann anzufangen innovativ und missionarisch zu sein. Beginnt damit jetzt! Das sieht dann vielleicht ganz anders aus als du immer dachtest. Aber Gott hat dich dort hingestellt, er hat dir genau diese Leute gegeben – und dazu all das, was du jetzt gerade brauchst, um das zu tun, was er gerade jetzt von dir will.

FLG hat von Aufatmen die Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Artikels erhalten. Übersetzt aus „Leadership Magazine Fall 2014“, Christianity Today Inc, Carol Stream, Illinois. Videos über die Vision von Karl Vaters finden sich unter seinem Namen auf YouTube. Mehr über Karl unter: NEWSMALLCHURCH.COM