Mara Massar

„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.” (Chinesisches Sprichwort)

Ich denke über Veränderungen nach und entdecke beide Seiten in mir. Da sind sowohl Vorbehalte und Ängste als auch Mut und die freudige Erwartung, Neues zu sehen.

Veränderung geschieht auf verschiedenen Ebenen unseres Lebens. Da sind die gesellschaftlichen, soziologischen und politischen Veränderungen, auf die ich kaum Einfluss habe, aber doch immer wieder herausgefordert bin, Positionen und Standpunkte zu überdenken. Zum anderen finden Veränderungsprozesse auf persönlicher Ebene statt. Auf dieser Ebene kann ich aktiv auf Veränderungen einwirken und mit ihnen umgehen, indem ich sie akzeptiere und annehme. Beispielsweise müssen Eheleute ihre Schlafgewohnheiten überdenken, wenn sie Eltern werden oder der Leichtathlet wird seine Technik verändern, um höher, weiter oder schneller zu werden. In allen Lebensbereichen erleben wir es, dass Dinge und Situationen nichtunserer Gewohnheit entsprechend bleiben , sondern sich verändern, auch wenn sie uns lieb geworden sind.

Warum brauchen wir überhaupt eine Veränderung?

Von Jesus heißt es im Lukasevangelium, dass er an Weisheit, Statur und Gunst bei Gott und den Menschen zunahm (Luk 5, 2).

Aus diesem Vers nehme ich für mich wahr, dass unser Gott ist kein statischer Gott, der uns immer auf dieselbe Art begegnet, sondern in seiner kreativen Art auch immer neue Wege sucht, sich in unserem Leben zu zeigen. Jesus hat auf vielfältigste Weise Wunder vollbracht und Menschen in ihrem Herzen getroffen und auch er begab sich in einen Entwicklungsprozess (Luk 5, 2).

Das Leben und der Mensch sind ist nicht auf Schema F angelegt. Es gibt Facetten und Nuancen, die es wahrzunehmen gilt.

Max du Pree sagte: „Wenn wir immer so bleiben wie wir sind, werden wir nicht zu dem, der wir werden sollen.”

Ich habe für mich das Wort Veränderung als Entwicklung definiert. Jesus entwickelte sich -natürlich auf der Ebene des vollkommenen Sohnes- und indem ich ihm nachfolge, werde ich eine Entwicklung durchlaufen. Diese bringt mich unweigerlich an signifikante Knotenpunkte in meinem Leben, JA zu Entwicklung zu sagen.

Gibt es Alternativen?

Stagnation, als das Gegenteil von Entwicklung, stellt keine in Erwägung zu ziehende Alternative dar. Noch einmal deutlich gesagt: Für mich ist Entwicklung alternativlos; sowohl für mich als auch für das Umfeld, für das ich Verantwortung trage. „Das haben wir schon immer so gemacht” eine sicherlich bekannte Aussage. Aber wir verändern uns nicht durch Eintönigkeit, sondern indem wir neue Erfahrungen machen. Neu bedeutet aber auch, dass ich dort noch nicht war.

Was ist das Ziel der Veränderung?

Das Ziel meiner persönlichen Entwicklung hat Paulus in Römer 8 als die Umformung in sein Bild beschrieben und als Gemeinde entwickeln wir uns, um den Auftrag Gottes aus einer Vielfalt heraus zu leben und ein Ort zu sein, der Menschen mit Jesus verbindet.

Will ich diese Veränderung?

Ich habe bewusst JA dazu gesagt. Ich habe mich auf den Weg gemacht und bin dankbar für Leiter und Mentoren, die in mein Leben hineininvestieren und – sprechen. Um eine klare und umfangreichere Perspektive zu gewinnen, brauche ich Input. Deshalb heiße ich Entwicklung willkommen, auch in Form von Büchern, den Besuchen von Gottesdiensten, Konferenzen etc.

Was bringt mir die Veränderung?

Am Anfang erstmal Schmerz, aber immer auch Arbeit. Die Frucht ist genial. Ich profitiere und lerne, um gemeinsam mit der Leiterschaft einer Gemeinde durch Prozesse zu führen, an deren Ende neues Momentum entsteht. Das ist ein großes Vorrecht. Ich bin überzeugt, dass es immer mit einem Preis verbunden ist und mit einer Frucht, die von anderen genossen werden kann. Jesus machte die größte Veränderung durch, indem er, der eigentlich Gott war, als Mensch zu uns kam. Das hat ihn alles gekostet!

Was verliere ich durch die Veränderung?

Ich verliere alte Gewohnheiten und Lebensmuster. Der Gewinn kommt durch das Loslassen all dessen.

Kann ich die Veränderung schaffen?

Ja und nein. Jesus ist es, der sowohl das Wollen als auch das Vollbringen wirkt. Ich kann seine Entwicklungsprozesse bewusst bejahen. Ich brauche seine Gnade, sein Erbarmen und sein Wohlwollen, die mein Herz immer wieder neu erobern und mit ihm meine Sturheit und meine eigenen Wege.

Was gehört zu Veränderungsprozessen?

Veränderung geschieht (fast)immer am Rande des Chaos. Meine Weltordnung wird erschüttert, Mitarbeiter brechen weg, ich brauche schnelle Lösungen oder Zwischenschritte. Fast alles wird in Frage gestellt: Woran soll man sich nur halten?

Unzufriedenheit mit dem Status Quo macht sich breit. Kein negatives Gerede, sondern ein „konstruktives Hinterfragen” der vorhandenen Realität. Die Antwort darauf ist jetzt kein Aktionismus, kein schnelles Reagieren, sondern ein klares, überdachtes und konkretes Bild der Zukunft. Wo wollen wir hin? Was können wir justieren? Was oder wen brauchen wir?

Erste Schritte werden eingeleitet. Mutige Entscheidungen werden getroffen, alte Zöpfe abgeschnitten und es entsteht Bewegung, allerdings in zwei Richtungen: Widerstand und Zustimmung. Jemand hat diese Situationen mit einem heraufziehenden Sturm verglichen, der mit Standhaftigkeit, Vertrauen und Wachheit gemeistert wird. Da haben wir die Gelegenheit, transparent und offen zu kommunizieren, Menschen in ihren (Verlust-)ängsten zu begegnen und gestärkt aus dem Sturm hervorzugehen.

Was habe ich bis jetzt durch Veränderungsprozesse gelernt?

1.Ich halte Unsicherheiten aus

Vieles ist im Verlauf eines Veränderungsprozesses unklar, vieles nicht erprobt. Keiner weiß ganz genau, was richtig oder falsch ist, ob etwas zum Ziel führt oder nicht. Auf viele Fragen gibt es vielleicht nicht immer klare Antworten. In solchen Momenten werde ich in dem Wissen ruhig, meinem Hirten zu folgen.

2. Ich realisiere, dass nicht ich kontrolliere

Es hat eine positive Wirkung, wenn ich erkenne, dass ich in einem Veränderungsprozess nicht immer alles unter Kontrolle habe. Manchmal muss ich den Dingen ihren Lauf lassen und loslassen, was ich nicht direkt beeinflussen kann.

3. Ich erwarte nicht, dass sich alle über Veränderungen freuen

Selbst wenn ich voller Tatendrang und Begeisterung bin und die Welt um mich herum verändern will, heißt das nicht, dass meine Ideen von anderen mit offenen Armen empfangen werden. Dann heißt es, wie kann ich die Menschen der Gemeinde umwerben und mitnehmen, ohne mit der Tür ins Haus zu fallen oder vor vollendete Tatsachen zu stellen? Wie kann ich die Menschen, die entweder an der Veränderung direkt beteiligt sind oder Teil der Gemeinde sind, mit auf die spannende Reise nehmen und wie kann ich sie frühzeitig in den Veränderungsprozess mit einbinden?

4. Ich plane einen Prozess

Meist zieht die eine Veränderung andere nach sich. Wenn wir uns entscheiden, den Gottesdienst auf englischsprachige Menschen zu erweitern, hat das Konsequenzen auf viele Dienstbereiche wie Übersetzung, Technik, Kinderdienst, Equippment etc. Das wiederum bedeutet, dass neue Schritte und Planungen eingeleitet werden müssen, um diese Veränderung umzusetzen.

5.Ich bleibe am Ball

Manchmal ist es leider so, dass Veränderungsprozesse auf halber Strecke stecken bleiben. Nach einem raketenartigen Start geht die Luft aus. Dabei bedarf es einer gewissen Kontinuität, um den Veränderungsprozess in Gang zu halten und schließlich am Ziel anzukommen. Dabei scheint mir Beharrlichkeit eine wichtige Eigenschaft zu sein, um am Ball zu bleiben und auch durch kleine Rückschläge nicht entmutigt zu werden.

Mara ist Pastorin des Christus Zentrums Celle.