Eine gesunde Gemeinde braucht Leiter, die das ganze Bild vor Augen haben
Karl Vaters
Unsere Gemeinde stand in diesem Jahr an einer Weggabelung.
Vor 15 Monaten hatten wir schon das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte.
Ich konnte dieses vage Gefühl nicht in Worte fassen, aber mein Jugendpastor sprach es aus:
„Vielleicht stimmt ja etwas mit meiner Wahrnehmung nicht, aber irgendwas ist in letzter Zeit merkwürdig.“
„Das empfindest nicht nur du so“, versicherte ich ihm. „Ich kenne das Gefühl. Irgendetwas muss sich ändern. Ich weiß nur noch nicht, was es ist.“
Ich erzählte ihm, wann wir in den letzten 23 Jahren an eben solchen Weggabelungen gestanden und große Veränderungsmaßnahmen hatten einleiten müssen. „Und jetzt ist es wieder an der Zeit.“
„Die Dinge laufen gerade zwar gut, aber wenn wir nichts ändern, werden sie irgendwann abgestanden und fade sein. Wir haben jetzt die Wahl. Wir können bei dem bleiben, was bisher gut war und es uns damit gemütlich machen, oder wir nehmen die Herausforderung Gottes an und streben nach dem, was noch besser ist und bauen darauf weiter auf. Auch wenn es bedeutet, dass wir einige der guten Dinge loslassen müssen, um die besseren zu bekommen.“
Nun, ich konnte es zu dem Zeitpunkt meinem Jugendpastor gegenüber nicht so artikulieren, sondern sagte stattdessen: „Lass es uns gemeinsam angehen“ und das taten wir auch.
Wochenlang saßen wir stundenlang im Gebet und in Gesprächen zusammen, bevor wir es wirklich so ausdrücken konnten.
Dann suchten wir nach neuen Ideen und setzten diese um. Und, es funktionierte!
Unsere Gemeinde nahm die richtige Abbiegung.
Heute sind wir viel energiegeladener, gesünder und leidenschaftlicher, als noch vor Jahren.
Die Leute merken das. Man kann es ihnen ansehen. Auch wenn sie selbst gar nicht genau sagen können, woran das eigentlich liegt.
Was ist denn nun passiert?
Nachfolgende sieben Punkte halfen uns dabei, den richtigen Weg in Richtung „Erneuerung“ und „Leidenschaft“ einzuschlagen, und zwar bevor (fast) jedem bewusst wurde, dass diese Entscheidung anstand.
1. Achte auf erste Warnsignale
Manchmal merkt man einfach in seinem Inneren, dass etwas in der Luft liegt.
Oder man merkt, dass die Leute weniger spenden. Oder man merkt, dass ehrenamtliche Mitarbeiter, die ihren Dienst schon lange treu ausführen, plötzlich erstmalig eine Auszeit nehmen. Einige kommen nicht mehr so regelmäßig zum Gottesdienst. Andere schauen sich mal andere Gemeinden an.
Wenn die Leute sich plötzlich nach angesagten, neuen Gemeinden umschauen, muss es nicht immer an den Leuten selbst liegen. Verständige Gemeindeleiter sind klug genug, sich zu hinterfragen, auch wenn es schwer ist: Ziehen andere Gemeinden unsere Gemeindemitglieder an oder ist die eigene Gemeinde nicht in der Lage, sie zu halten?
Es ist unsere Verpflichtung als Pastoren, den Herzschlag unserer Gemeinde zu spüren. Denn nur dann sind wir auch echte Leiter.
2. Denke langfristig UND kurzfristig
Als wir unsere Situation als Gemeinde analysierten, merkten wir, dass wir einige kurzfristige Anpassungen sofort machen mussten. Doch kurzfristige Anpassungen verbessern gewisse Dinge auch nur kurzfristig.
Wenn wir eine gesunde Gemeinde sein wollen, müssen wir in der Lage sein, das große Bild vor Augen zu haben.
Bei uns gehörte eine Rückbesinnung auf drei Bereiche dazu: Anbetung, Jüngerschaft und Gemeinschaft.
In Bezug auf Anbetung mussten wir unseren Gottesdienstablauf auf den Kopf stellen. In Bezug auf Gemeinschaft änderten wir unsere Vorgehensweise in den Kleingruppen. Und in Bezug auf Jüngerschaft bildeten wir eine Arbeitsgruppe, die junge Christen, die gerade erst gläubig geworden waren, mit „alten Hasen“ zusammenbringt, ihnen Tipps und Materialien an die Hand gibt, wie sie geistlich wachsen können und ihnen Gelegenheiten gibt, wie sie sich in den Gemeindedienst einbringen können. Jetzt im Herbst werden wir einen weiteren Bereich installieren, um Menschen in der Nachfolge Jesu zu schulen, damit diese wieder andere zu Nachfolgern machen können.
Kurzfristige Anpassungen, die langfristig gut geschulte Nachfolger Jesu hervorbringen.
3. Höre auf guten Rat
Die drei Bereiche Anbetung, Jüngerschaft und Gemeinschaft, die wir wirklich verbessern mussten, waren allesamt Bereiche, in denen unsere Jugendgruppe bereits viel besser war, als wir Erwachsene. Na, wen habe ich da wohl um Hilfe gebeten? Richtig! Mein Jugendpastor half mir dabei, zu analysieren, wie man das, was in der Jugend gut funktionierte, an die Erwachsenen anpassen und adaptieren konnte.
Was für eine unerwartete Quelle der Weisheit. Aber warum eigentlich nicht? Einen guten Tipp finden wir nur Bereichen, in denen wir danach suchen.
4. Sei experimentierfreudig
Wir haben nicht gleich gewusst, welche Maßnahmen greifen werden. In Bezug auf den Gottesdienstablauf mussten wir ein paar Mal hin und her experimentieren. Und dann ging es phasenweise vorwärts.
Bei den Kleingruppen probierten wir viele Ideen aus, um dort den Gedanken der Gemeinschaft zu fördern und oftmals fragten wir uns, ob es wirklich was bringen würde. Bis irgendwann eine Idee sehr gut aufgenommen wurde und umgesetzt werden konnte.
Pastoren sollten eine Atmosphäre schaffen, in der man auch Fehler machen darf.
5 Bewerte die Ergebnisse
Wir sollten nicht nur auf kluge Ratschläge hören, um neue Ideen zu entwickeln, sondern wir müssen auch darauf achten, wie diese bewertet werden und ob sie funktionieren. Wir dürfen uns nicht nur auf unsere eigene Beurteilung verlassen. Wir sind selbst viel zu sehr involviert, als dass wir objektiv beurteilen könnten.
Und selbst wenn wir sie genau beurteilen könnten, sehen wir sie doch nur aus unserer Perspektive. Doch für eine objektive Beurteilung sind viele Sichtweisen notwendig.
6. Wertschätze Erfolge
Wenn etwas daneben geht, danke den Mitarbeitern, dass sie es versucht haben. Wenn etwas funktioniert, danke ihnen noch mehr.
Du solltest es zu schätzen wissen, wenn Mitarbeiter sich mit ihrer Arbeitskraft, ihrem Wissen und mit ihrem ganzen Engagement dafür eingesetzt haben, alte Wege zu verlassen und neue Wege zu gehen.
Danke denen, die neue Ideen mit eingebracht haben und aus denen dann noch bessere Ideen entstanden sind. Danke denen, die sich für die Umsetzung von Ideen eingesetzt haben, von denen sie am Anfang nicht überzeugt gewesen waren.
Danke allen, die sich eingesetzt haben, ins kalte Wasser gesprungen sind und alles im Gebet begleitet haben.
7. Halte den Veränderungsprozess aufrecht
Nachdem man die notwendigen Veränderungsmaßnahmen durchgeführt hat, steht man oft in der Gefahr, sich zurückzulehnen, es sich wieder bequem zu machen und alles ruhig angehen zu lassen.
Das ist gefährlich.
Siedler werden sesshaft. Pioniere sind Wegbereiter, die immer etwas auszukundschaften haben.
Führende Leiter in den Gemeinden unserer Zeit sollten eine Mittlerfunktion einnehmen, wenn es um notwendige Veränderungen geht. Nicht dass Wahrheiten verändert werden sollten, sondern die Art und Weise, wie wir die Leute mit Veränderungen konfrontieren.
Das Evangelium ist unveränderlich. Aber die Art und Weise, wie die Menschen es annehmen und darauf reagieren, verändert sich.
Ein verständiger Pastor sollte sich niemals in die Lage drängen lassen, dringend notwenige Veränderungen endlich durchführen zu müssen. Er sollte als Leiter derjenige sein, der diese Zeit der Veränderung einläutet.
Videos über die Vision von Karl Vaters finden sich unter seinem Namen auf YouTube. Mehr über Karl unter: NEWSMALLCHURCH.COM oder Besuche Karl’s Blog Pivot