Wie kann ich den erfüllen?
Paul Clark
Über dieses Thema zu schreiben, ist nicht leicht für mich. Ja, es ist sogar irgendwie frustrierend. Warum? Wenn ich so zurückblicke, sind mir viele Christen begegnet, die am Anfang Feuer und Flamme waren und voller Hingabe ihren Glauben lebten, jedoch aufgrund verschiedener Umstände ihr tiefes Vertrauen zu Christus nach und nach an den Nagel hängten. Die meisten dieser Geschwister waren vertraut mit den Prinzipien von Jüngerschaft, hatten gute Predigten darüber gehört und hatten sogar angefangen, diese in die Praxis umzusetzen. Doch irgendwann setzte Gleichgültigkeit ein und ließ sich nicht abschütteln. Und so werfen viel zu viele Christen irgendwann das Handtuch und ziehen sich aus der lokalen Gemeindearbeit zurück.
Ich weiß, dass es nicht leicht ist, sein Christsein voller Hingabe und ohne Kompromisse zu leben. Allerdings finde ich es noch schwieriger, andere zu ermutigen, wieder neuen Glaubensmut zu schöpfen und geradlinig Christ zu sein. Nur zu gut erinnere ich mich an ein Gespräch mit einer Christin aus der Nachbarschaft in der Gründungsphase meiner ersten Gemeinde. Aus Versehen ließ ich das Wort “Jüngerschaft” fallen – und sie ward nie wieder gesehen. Ein Pastor aus dem Stuttgarter Raum sagte einmal zu mir, er sei froh, wenn seine Gemeindeleute es zwei oder drei Mal im Monat in den Gottesdienst schafften. Auch wenn ich weiß, was er meint, ist es doch traurig, dass so viele Christen in der westlichen Welt glauben, es reiche, wenn man als Jünger Jesu ab und zu mal im Gottesdienst auftauche.
Es ist wirklich eine Herausforderung, Gottesdienstbesucher zu Nachfolgern Jesu zu machen. Man kann es mit dem Geschehen in einem Fußballstadium vergleichen. Es gibt ein paar Menschen, die sehr fokussiert auf dem Spielfeld hin und her laufen, irgendwann totmüde sind und eigentlich eine Pause brauchten. Auf der anderen Seite stehen tausende Zuschauer in den Rängen, denen ein bisschen Bewegung sehr gut tun würde! Jünger Jesu sind niemals nur Zuschauer. Dietrich Bonhoeffer schreibt: „Christsein ohne Jüngerschaft ist immer Christsein ohne Christus.”
Deshalb stellen wir uns doch einmal diese Frage ganz persönlich: “Bin ich ein echter Nachfolger Christi?” Nur wenn wir diese Frage nicht nur verstandesgemäß sondern von ganzem Herzen mit ja beantworten können, können wir dem Auftrag Jesu folgen und andere anleiten, Jünger Jesu zu werden. Die meisten Christen kennen die Worte, die Jesus am Tag seiner Himmelfahrt sprach, auswendig: Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. (Matthäus 28,19-20 Luther) Der letzte Teil der Bibelstelle ist ein echter Trost: “Ich bin bei euch…” Deshalb ist er auch auf so vielen Karten und Lesezeichen in allen möglichen Sprachen zu finden. Allerdings ist diese Verheißung an eine Bedingung geknüpft: Seid Jünger und machet zu Jüngern. Wenn du dich als Jünger Jesu bezeichnest, dich aber noch nicht hast taufen lassen, dann warte nicht länger.Wenn man sein Leben Christus anvertraut hat, ist die Taufe der nächste, wichtige Schritt auf dem Weg mit ihm.
Es ist eine Lebensaufgabe, an den Lehren Jesu festzuhalten. Wer ein echter Nachfolger Christi sein will, braucht keine geistlichen Sprints hinzulegen. Nein, er hat einen Marathon vor sich, der ein Leben lang dauern wird, bis wir Jesus in Herrlichkeit sehen werden. Jesus selbst sagt: Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach. (Lukas 9,23 Luther) Keine leichte Kost. Und das täglich. Egal, was der Tag mit sich bringen mag. Egal, wie wir uns fühlen. Wir entscheiden uns ganz bewusst, alles hinter uns zu lassen, was uns davon abhalten will, ein Jünger Jesus zu sein und folgen ihm nach. Es ist buchstäblich ein Kreuz mit der Jüngerschaft. Billy Graham hat einmal geschrieben: „Errettung bekommt man umsonst, doch ein Jünger zu werden, kostet alles.“ Aber wir können eines wissen: Jesus wird uns für das, was wir tun sollen, während wir ihm nachfolgen, auch die Kraft schenken. Der Apostel Paulus saß sogar im Gefängnis, weil er Christus nachgefolgte. Und an diesem Ort schrieb er folgende Sätze, damit wir, du und ich, ermutigt werden: Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht. Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen. (Philipper 4,13 u. 2,13 Luther)
Machet zu Jüngern
Jesus hat uns in seiner unendlichen Weisheit keine bestimmte Methode vorgeschrieben oder einen ausgearbeiteten Plan vorgelegt – stattdessen gab er uns einen Arbeitsauftrag: Machet zu Jüngern! Die Herangehensweise in Hamburg mag vielleicht anders sein als in München, aber es gibt Grundprinzipien, die überall gelten.
Steve Pike schreibt: „Jüngerschaft fängt an, wenn die Leute wissen, dass du Christ bist und trotzdem deine Freunde werden wollen.“ Das gefällt mir. Auch wenn deine Freunde ihr Leben noch nicht Christus anvertraut haben und ihm folgen, können sie an dir sehen, was Nachfolge bedeutet. Paulus beschreibt dies Vorbildsein so: Seid meine Nachahmer, wie auch ich Christi Nachahmer bin! (1. Korinther 11,1 Elberfelder) Die Leute sollen nicht zuerst nach jemandem wie Mutter Theresa Ausschau halten, wenn sie wissen wollen, wie ein Christ leben sollte. Sie sollten in unserem Leben wie in einem aufgeschlagenen Buch lesen können und unsere Höhenflüge, wie auch Kämpfe sehen dürfen. Es gibt keinen perfekten Nachfolger. Auch Paulus war nicht vollkommen. Doch wir sollten authentisch leben, auch wenn es herausfordernd wird, denn so werden wir durch Gottes Gnade innerlich wachsen und reifen.
Vorschläge
1. Jede Gemeinde sollte einmal genau definieren, was es wirklich bedeutet, Christus nachzufolgen. Wir dürfen Jüngerschaft nicht dem Zufall überlassen, sondern müssen darauf achten, dass Neubekehrte nicht durchs Netz fallen. Ich persönlich stelle jedem jungen Christen einen reifen Christen an die Seite. Auch wenn ich Glaubensgrundkurse für gut und richtig halte, hat doch jeder, der sich ganz neu für Christus entscheidet, einen unterschiedlichen Hintergrund, was Familie, Ethik und Bildung angeht. Ein Mentor kann den Neubekehrten ganz individuell begleiten. Und man muss nicht Termine finden, an dem alle Zeit haben.
2. Die Gemeindeleitung sollte die Grundvoraussetzungen dafür schaffen, dass die Nachfolger Jesu inhaltlich dazulernen und das umsetzen, was Gottes Wort sagt. Eltern kennen diesen Unterschied genau: Nur wenn wir Kopfwissen auch in die Tat umsetzen, ist es von Bedeutung. Die Menschen in unseren Gemeinden sollten das Leben in Christus als großartiges Abenteuer der täglichen Nachfolge erleben können. Sie sollten einen Überblick über den “ganzen Ratschluss Gottes” bekommen und nicht einseitig gelehrt werden. Man kann zum Beispiel nicht nur über Heilung und Wunder lehren und dabei ignorieren, was die Bibel über Schmerz, Leiden und Verfolgung sagt. Eine ausgewogene Lehre führt zu einem ausgewogenen Christsein.
Die Gemeindeleitung sollte das Prinzip des Mentorings auch in den Hauskreisen, Gebetsgruppen und Arbeitsgruppen fördern, damit sich die „alten Hasen“ der Neulinge annehmen. Denn eines steht fest: Durch Beziehungen kommen Menschen in die Gemeinde. Aufgrund von Beziehungen bleiben Menschen in der Gemeinde und wachsen im Glauben. Und leider verlassen Menschen auch die Gemeinde aufgrund von Beziehungen. Leiter haben die Verantwortung, eine gesunde Beziehungskultur zu praktizieren und zu fördern. Jesus drückt es so aus: Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt. (Johannes 13,35 Luther)
3. Wir sollten Menschen, die Jesus bereits nachfolgen, ermutigen, sich vom Heiligen Geist erfüllen zu lassen. Hierzu bedarf es der richtigen Lehre und des Gebetes unter Handauflegung, damit Männer und Frauen den Heiligen Geist ganz persönlich als Beistand und Helfer erleben.
4. Wir sollten Jünger Jesu dazu anhalten, beispielhaft zu leben und das, was sie erkannt haben, weiterzusagen, damit andere auch Christus nachfolgen wollen. Paulus beschreibt es so: Und was du von mir gehört hast durch viele Zeugen, das befiehl treuen Menschen an, die tüchtig sind, auch andere zu lehren.“ (2. Timotheus 2,2 Luther)
Wir können niemanden dazu zwingen, Christus von ganzem Herzen nachzufolgen. Selbst einige der Jünger, die damals mit Christus gingen, fanden es nach einiger Zeit zu schwierig: Von da an wandten sich viele seiner Jünger ab und gingen hinfort nicht mehr mit ihm. (Johannes 6,66 Luther) Und doch haben wir den Auftrag, Menschen zu Jüngern zu machen. Und es ist schön zu sehen, wie junge Christen im Glauben reifen und sie nach und nach Frucht tragen und wiederum andere zu Jüngern machen. Sei mutig, komme dem Auftrag nach und mache zu Jüngern!
Paul Clark Lebensbotschaft ist es, ein Ermutiger zu sein für die, die andere ermutigen. Paul hat mit seiner Frau Mechthild Gemeinden im Saarland, Rheinland-Pfalz und Thüringen gegründet und dient als Coach in verschiedenen Gemeindegründungsprojekten und berät Gemeinden in Zeiten großen Umbruches. Er hat das ‚Forum für Leiterschaft im Gemeindebau’ ins Leben gerufen um Pastoren und Gemeindeleiterin in ihren Dienst zu ermutigen: Die Clarks wohnen in Lindau (Bodensee) und gründen eine neue Gemeinde in Bregenz.