Wenn du diesen Artikel liest, bist du ein geistlicher Leiter. Und Leiter sind schon immer – seit Beginn der Zeit – ein dankbares Ziel gewesen.

Bist du auch schon mit so netten Fragen und Bemerkungen konfrontiert worden? „Warum heizt du den Gottesdienstsaal nicht stärker?“ „Wir wachsen nicht, weil deine Predigten die Leute zum Einschlafen bringen.“ Oder der Todesstoss: „Angesichts dessen, wie viel wir dir zahlen, wäre ein Anruf nett gewesen, als ich letzten Monat im Spital war.“

Worte – kritische Worte, scharfe Worte, verletzende Worte – treffen uns und schmerzen. Ich bin überzeugt davon, dass unsere emotionale und verbale Reaktion auf Kritik der beste Indikator für unsere geistliche Reife ist.

Am Anfang meines Dienstes weckte Dietrich Bonhoeffer mit seinem wegweisenden Werk „Nachfolge“ meine Aufmerksamkeit. Seine Worte, die durch seinen anschließenden Tod am Galgen eines Drittreich-KZ noch zusätzlich an Tiefe gewinnen, hallen immer wieder durch meine Gedanken „Jeder Ruf Christi führt in den Tod“ (In der englischen Übersetzung: „When Christ calls a man, He bids him come and die. „).

Wir glauben, tausend Tode sterben zu müssen, weil wir für das jährliche Geschäftstreffen das falsche Datum angesagt haben oder weil wir uns nicht mehr an den Namen einer Person erinnern können, dir wir letzten Sonntag getauft haben. Wir predigen zwar darüber, für Christus zu sterben, aber diese Theologie trifft uns persönlich nicht, bis wir wirklich erlebt haben, was es kostet, sich zum Sohn Gottes zu stellen und in seinem Namen zu sprechen.

Hat die Botschaft des Kreuzes einen Einfluss darauf, wie wir auf Mitglieder unserer Gemeinden reagieren, die die Anhäufung von Vermögen als Massstab für den Wert einer Person nehmen? Beeinflusst die Botschaft des Kreuzes unsere Reaktion auf Kindsmiss- brauch, auch wenn der Täter ein prominentes Mitglied der Gemeinde ist? Und wie zeigt sich die Botschaft des Kreuzes in unserer Reaktion auf offenen Rassis- mus in unserer Gemeinde?

Wenn wir unsere Soteriologie (Lehre von der Rettung) ehrlich glauben, werden wir uns ständig im Spannungsfeld mit dem Zeit- geist befinden.

Die biblischen Vorbilder von Mose, Elia, Miriam, Jeremia, Stephanus und Tabita zeigen mutige geistliche Leiter, die die Last auf sich nahmen, das Göttliche auszusprechen, während sie selbst noch mit dem Menschlichen bekleidet waren.

Wenn es unser Glaube erfordert, dass wir uns klar für Christus aussprechen, müssen wir darauf gefasst sein, dass wir zum Ziel von Kritik werden.

Kritik in der Gemeinde kommt in einer ganzen Bandbreite schmerzhafter Äußerungen. Es gibt drei Arten von anschuldigenden Bemerkungen, mit denen die pastorale Leiterschaft konfrontiert wird.

  1. Die Kritik richtet sich nicht gegen eine Person, sondern vielmehr gegen den Ruf der ganzen Gemeinde. Geistliche Leiter bekommen dann zum Beispiel zu hören: „Die Gemeinde funktioniert schon seit langem nicht mehr richtig. Vermutlich können wir auch in Zukunft nicht mehr als Mittelmässigkeit erwarten.“

Die Absicht hinter dieser kritischen Äußerung ist, in einem Rundumschlag aufzuzeigen, dass weder Gott noch sonst irgendeine Macht den Verlauf der Geschichte einer Gemeinde ändern kann. Das Beste, was man in so einer Situation noch tun könne, ist, „an Jesus festzuhalten“.

  1. Passiv-aggressives Verhalten bildet die Grundlage für diese kritischen Kommentare, denn sie enden häufig mit einer Bemerkung wie: „Nun, ich bete jeden Tag für dich wegen deinem neuen Ansatz im Lobpreis. Aber ich sage dir, wir haben früher, bevor du vor sieben Jahren unser Pastor geworden bist, mehr als doppelt so viele von den alten Liedern gesungen als heute.“

Passiv-aggressive Aussagen enthalten immer auch stichelnde Andeutungen. Diese hinterlassen den geistlichen Leiter oft sprach- los, verwirrt und mit einer Wut im Bauch.

  1. Die dritte Art, wie Kritik daher kommt, ist ein Frontalangriff. Für den Erfolg dieses Angriffs ist es wichtig, dass eine dritte Partei anwesend ist.

Mache dich also auf etwas gefasst. Menschen, die diese Art von Kritik üben, werden dies bei einer Mitarbeitersitzung tun, an der jährlichen Geschäftssitzung der Gemeinde oder sogar im Gemeindefoyer – vorzugsweise wenn die anderen Gottesdienstbesucher nach dem Gottesdienst gerade aus dem Saal kommen.

Kritiker dieser Art stützen ihren Angriff auf die Annahme, dass ihre Mäkelei viel wirksamer ist, wenn sie in einer Dreierformation geschieht. Eine Dreierformation bedeutet, dass neben dem Kritiker und der Person, die das Ziel der Kritik ist, noch andere Personen anwesend sind. Diese anderen Personen liefern die emotionale Ener- gie und Deckung, die der Kritiker braucht, um seinen Standpunkt deutlich zu machen.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass es im Folgenden um Kompetenzen und nicht um Kommunikationstricks geht. Die Leute bezeichnen Tricks schnell einmal als hinterlistig, aber kompetentes Verhalten wird als echtes Interesse an der Person und der Situation wahrgenommen. Daher geht es beim ersten Punkt um eine angemessene emotionale Antwort auf eine emotional geladene Kritik.

Stell dir vor, jemand aus deiner Gemeinde sagt: „Deine Predigt heute hat mich verwirrt. Ich hatte den Eindruck, du hättest dich nicht angemessen vorbereitet.“ Was empfindest du in diesem Moment? Was sind deine Gefühle als Empfänger dieser Predigtauswer- tung? Wut? Frustration? Trägst du es der Person nach? Fühlst du dich gedemütigt? Lass diese Emotionen hinter dir. Antworte mit: „Erzähle mir mehr darüber, was ich in meiner Predigt gesagt oder nicht gesagt habe, das dich zu der Schlussfolgerung gebracht hat, ich sei nicht gut genug vorbereitet gewesen.“

Mit dieser Antwort zeigst du drei Aspekte von Sozialkompetenz. 1. Du bleibst emotional ausgeglichen, indem du die Emotionen deines Gegenübers nicht übernimmst. 2. Du stellst eine Frage, statt dich zu erklären. 3. Du bittest um genaue Angaben, die dir dabei helfen, dich zu verbessern.

Der zweite Punkt besteht darin, die Kritik ernst zu nehmen und zu würdigen. Das könnte beispiels- weise so klingen: „Weisst du was? Wenn ich mir das so überlege, sollte die Predigt vom Sonntag dir mehr Klarheit gebracht haben.“

Wichtig dabei ist, dass diese Worte nur den Aspekt der Klarheit stützen, aber nicht bestätigen, dass du nicht gut vorbereitet gewesen bist.

Wenn du die Kritik ernst nimmst und würdigst, ist das Resultat immer eine Art von Einigung. Die Einigung muss jedoch echt sein. Wenn du jemandem antwortest, „Weißt du was? Du hast absolut recht. Ich bin der schlechteste Prediger, der je auf einer Kanzel stand“, wirst du deine Glaubwürdigkeit verlieren.

Eine kurze bissige Antwort entspricht nicht deiner Berufung und ist unprofessionell. Auch wenn du unglaublich schlagfertig mit sarkastischen Bemerkungen sein magst, solltest du sie bleiben lassen.

Den dritten Punkt kennst du bereits. Gehen wir zurück zu der Szene mit dem Kommentar über deine Predigt. Egal, ob du dich in der Gegenwart anderer Leute befindest oder mit der kritisierenden Person alleine bist, bitte um Zeit, um dir über deine Antwort Gedanken zu machen.

Du könntest zum Beispiel sagen: „Es scheint, dass du grosse Zweifel an meiner Fähigkeit hast, Gottes Wort weiter zu geben. Ich brauche Zeit bis morgen Vormittag, um meine Gedanken und Gefühle diesbezüglich zu ordnen. Ich würde mich gern morgen um 9 Uhr mit dir zu einer Tasse Kaffee treffen. Wäre das ok für dich? Vielen Dank für deine ehrliche Rückmeldung.“

Den Abschluss dieses Artikels möchte ich gern mit einer Aussage machen, die ich bereits ganz am Anfang gemacht habe: Ich bin überzeugt davon, dass unsere emotionale und verbale Reaktion auf Kritik der beste Indikator für unsere geistliche Reife ist.

CAL LeMON, D.Min., Präsident von Executive Enrichment, Inc., Springfield, Missouri, einer Schulungs- und Beratungsfirma.  FLG hat vom Autor des Artikels und INSPIRATION die Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Artikels erhalten. INSPIRATION ist eine verkürzte Version der Zeitschrift INLUENCE, die von den Assemblies of God, USA, herausgegeben wird. INSPIRATION dient den Bedürfnissen von deutschsprachigen Pastoren und stellt theologisch-biblisch relevante, up-to-date Artikel für die Arbeit von Gemeindeleitern und Pastoren zur Verfügung. Für mehr info: https://www.pfingstmission.ch/