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Von der direkten zur indirekten Einflussnahme in der Leiterschaft / Dietrich Schindler

„Die Frucht meiner Arbeit wächst auf den Bäumen anderer Menschen.“

(Bob Buford)

Ich saß sprachlos da. Als junger Seminar-Student war ich begierig danach, von den besten Professoren, die in der evangelikalen Welt zu finden waren, zu lernen. An den Kursen des legendären Dr. Lloyd Perry teilzunehmen, der über das Predigen lehrte, war, wie zu den Füßen Jesu zu sitzen. Dr. Perry war von kleiner Statur und aufgrund einer Polio-Erkrankung in seiner Kindheit gelähmt, aber er war ein gebildeter, gottesfürchtiger und fesselnder Prediger, der im Lauf von vierzig Jahren einige der besten Prediger der Welt ausgebildet hatte.

Nachdem ich mir eine Stunde lang wie wild Notizen gemacht hatte, war meine Hand taub. Ich werde nie den Tag vergessen, an dem eine Aussage Dr. Perrys mich absolut verblüffte. Mit Tränen in den Augen sagte er: „Ich möchte lieber jemand sein, der andere zum König macht, als selbst König zu sein.“

Er, der nicht nur der König, sondern der Kaiser unter den Predigern war, sagte uns, dass es wichtiger war, in das Leben anderer Menschen zu investieren, als persönlichen Erfolg zu haben. Mir fiel sofort ein, was Jesus im Markusevangelium über sich selbst sagte: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“ Markus 10,45)

Wenn wir als Leiter dienen, liegt der Fokus grundsätzlich auf anderen Menschen. Wir gründen neue Gemeinden, doch was wir tun, verblasst im Licht dessen, was andere durch unsere Unterstützung erreichen werden. Leiterschaft bedeutet Einflussnahme, und diese kann direkt oder indirekt ausgeübt werden. Für den Prozess der Gemeindegründung ist die Kraft des direkten Einflusses von wesentlicher Bedeutung.

Die Frucht eines Apfelbaums besteht nicht in Äpfeln; sie besteht in einem weiteren Apfelbaum. Die Frucht einer Gemeindegründung sollte über die neu entstandene Gemeinde hinausgehen. Das ist der Unterschied zwischen einem Obstbaum und einer Obstplantage. Wenn wir nicht nur einen Baum, sondern einen ganzen Garten voller Bäume pflanzen wollen, wird uns das nur durch indirekte Einflussnahme gelingen.

Das Paradox der direkten Einflussnahme

Jesus praktizierte seine Leiterschaft sowohl direkt als auch indirekt. Mit der Berufung der zwölf Jünger übte er direkten Einfluss aus. „…dass sie bei ihm sein sollten….“ (Markus 3:14). Drei Jahre lang verbrachte Jesus den größten Teil seiner wachen Zeit mit zwölf Männern. Obwohl er oft zu großen Menschenmengen sprach, wusste Jesus, dass die dauerhafte Veränderung in seinem engsten Kreis stattfand. Gegenüber seinen Jüngern handelte er oft situativ. Wenn etwas passierte, lehrte er sie – gerade zur rechten Zeit. Jesus war der Meister und sie waren seine Lehrlinge.

Sie lernten von Jesus, indem sie ihn beobachteten und ihm zuhörten, und zogen dann hinaus, um das Gelernte anzuwenden. Stell dir das vor. Der Schöpfer des Universums war auf einem Planeten, auf dem damals 250 Millionen Menschen lebten, und konzentrierte sich auf nur zwölf Männer! Wie die Rabbis unserer Zeit, beeinflusste Jesus einen seiner Schüler nach dem anderen. Das Ziel bestand darin, das Evangelium global zu verbreiten, und dafür investierte Jesus sich lokal. „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur.” (Mark 16:15).  

Die Möglichkeiten der direkten Einflussnahme haben jedoch ihre Grenzen. Sie sind begrenzt durch die Zeit, die der Leiter zur Verfügung hat, und durch seine körperliche und emotionale Stärke. Sie sind begrenzt durch die Zahl der Menschen, die dem engsten Kreis angehören. Nur diese Menschen können anderen direkt berichten. Wir müssen auch damit rechnen, dass sich Menschen von uns abwenden. Einer der von Jesus auserwählten Leiter schaffte es nicht. Judas wandte sich von Jesus ab und lieferte ihn seinen Feinden aus. Wenn das Jesus passierte, wird es sicher auch uns passieren. Nicht jeder, den wir beeinflussen, wird gemäß unserem Einfluss handeln.

Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus Kapitel 8 in Dietrich Schinders Buch: SHIFT: The Road to Level 5 Church Multiplication. [1]

Dietrich Schinder hat in Deutschland fünf Gemeinden gegründet und von 2008 bis 2013 die Gemeindegründungen des Bundes Freier evangelischer Gemeinde (FeG [2]) begleitet.Darüber hinaus hat er für Menschen, die Fragen zum Glauben haben, den Kurs Mylife-workshop [3] – ähnlich dem Alpha-Kurs – ins Leben gerufen und arbeitet auf eine Multiplikation der Gemeindegründungen in Europa hin. Dietrich ist der Autor des Buchs Das Jesus-Model [4].