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Was tun, wenn Christen ohne Trauschein zusammen wohnen? / Jessica Mumley

Als STUDENTENPASTORIN beobachte ich, wie unsere Studenten graduieren, ihre Hüte in die Luft werfen und ihre neue Welt mit neuen Jobs, neuen Mitbewohnern und neuen Gemeinden begeistert annehmen. Es ist großartig, ihnen zuzusehen, wie sie den Stab des Glaubens aufnehmen und das Rennen als Nachfolger Christi laufen.

Ich habe jedoch einen beunruhigenden Trend bemerkt. Eine überraschende Anzahl unverheirateter Paare, die in Gemeinden gehen und sich zum christlichen Glauben bekennen, entscheiden sich nichtsdestotrotz dafür zusammen zu ziehen.

2016 fand eine Barna Group in den USA heraus, dass 41% der erwachsenen Christen in den Vereinigten Staaten außereheliches Zusammenleben als eine „gute Idee“ fanden. Und die heutigen jungen Erwachsenen tolerieren solche Art zu wohnen eher als ältere Generationen.

Bei einer Gallup Umfrage im Jahre 2020 sagten nur 29% der US-amerikanischen Erwachsenen unter 35 Jahren, „Heiraten sei sehr wichtig für Paare, wenn sie planen, den Rest ihres Lebens gemeinsam zu verbringen.“

Kann man die Strömung dieser unbiblischen Haltung zum außerehelichen Zusammenleben aufhalten? Ich glaube, jeder Gemeindeleiter kann die folgenden drei Dinge tun:

Bemühe dich um Verständnis.

2019 untersuchte ein Bericht des Forschungszentrums Pew die Gründe, warum unverheiratete Amerikaner zusammenleben. Unter den unverheirateten Paaren, die sagten, sie würden wahrscheinlich irgendwann heiraten, gab mehr als die Hälfte die eigenen Finanzen (56%) oder die ihres Partners/ihrer Partnerin (53%) als Grund an, die Heirat aufzuschieben.

Andere Gründe waren ein Zögern des Partners (47%) sich zu binden oder das eigene Zögern (44%), sowie der Wunsch, vor der Ehe die Karriere voranzutreiben ((44%) bzw. die Unsicherheit, ob der Partner wohl die richtige Person für sie/ihn sei (39%).

Um in wilder Ehe lebenden Personen in unseren Gemeinden geistlich effektiv zu dienen und ihnen einen besseren Weg zu zeigen, sollten wir versuchen, ihre Nöte und Perspektiven zu verstehen. Dazu braucht es persönliche Beziehungen und Vertrauen.

Lade sie zum Essen ein, investiere in ihr Leben und frage nach ihren Geschichten. Wenn wir uns die Zeit nehmen, ihnen zuzuhören und sie nach den Motiven ihrer Entscheidungen zu fragen, werden wir wahrscheinlich draufkommen, dass es in den meisten „wilden Ehen“ gar nicht so sehr um Sex oder Rebellion gegen Gott geht. In Wirklichkeit handelt es sich meistens um praktische Dinge wie Geld oder emotionale Nöte, wie zum Beispiel Einsamkeit.

Leite mit einem „Ja“.

Allzu oft drehen sich die Gespräche in unseren Gemeinden darum, was alleinstehende Erwachsene nicht tun sollten: „Kein Sex vor der Ehe, kein außereheliches Zusammenleben, keine sexuelle Unreinheit, welcher Art auch immer.“

Das Problem besteht darin, dass „Nein“ niemals die verändernde Kraft eines „Ja“ hat. Unsere Gemeinden sollten Orte voller „Ja“ sein. Im Kern bedeutet Christentum nicht nur, schlechtes Verhalten zu unterlassen. Es bedeutet eigentlich „Ja“ zu sagen zu Jesus und ihm zu erlauben, uns von innen heraus zu verändern, da wir uns nicht selbst retten können. Es geht darum, „Ja“ zu sagen zu Gottes Botschaft, Gottes Familie und Gottes Auftrag in der Welt.

Laden wir die alleinstehenden Erwachsenen in unseren Gemeinden dazu ein, „Ja“ zu sagen? Fühlen sie sich gesehen, unterstützt und gebraucht? Hat jeder Christ einen Platz zum Dienen?

Haben auch jene einen Platz in unserer Gemeinschaft, die sich noch nicht für Jesus entschieden haben? Gehen Gläubige an ihrer Seite – lieben sie und zeigen ihnen Jesus durch ihre Worte und ihr Beispiel?

Lasst uns leiten mit einem „Ja“. Lasst uns für jedes „Nein“ – und natürlich müssen wir die Gebote Gottes lehren – überzeugende Gründe anführen und reichlich Möglichkeiten anbieten, „Ja“ zu Jesus zu sagen.

Feiert die Alleinstehenden.

Die Kultur in den Gemeinden hebt häufig die Paare hervor und vernachlässigt die Alleinstehenden.

Kürzlich schmiss ich sozusagen eine Party für meine Schwägerin. Sie schätzte die Geste – und den Humor. Sie ist weder eine zukünftige Braut noch eine werdende Mutter. Sie ist in ihren frühen 30ern, unverheiratet und lebt glücklich und alleine. Sie hat gerade ihr eigenes Geschäft eröffnet und aus ihrer Single-Wohnung ein gemütliches Zuhause gemacht. Aus Anlass dieses Meilensteins überhäuften ihre Freunde und ihre Familie sie mit Geschenken.

Wenige Meilensteine werden kulturell gesehen – sei es innerhalb oder außerhalb von Gemeinden – eher selten für alleinstehende Erwachsene gefeiert. Wir sind daran gewöhnt, Hochzeiten und Geburten zu feiern. Scheinbar haben Paare und junge Eltern die größeren Vorteile: Steuergutschriften und die Unterstützung durch die Kleingruppen in ihrer Gemeinde.

Ich frage mich manchmal, ob Gemeinden wichtige Möglichkeiten verpassen, um alleinstehende Personen anzuerkennen, zu würdigen, zu schätzen und zu unterstützen.

Die Bibel hält Ehelosigkeit für gleich wertvoll wie Ehe. Jesus selbst war alleinstehend. In der frühen Gemeinde gab es alleinstehende Leiter (z. B. Paulus), Ehepaare (z. B. Petrus) und Paare im Dienst (z. B. Aquila und Priscilla).

Wenn Gemeinden alleinstehenden Mitgliedern keinen Platz einräumen, lassen sie sich ihre Gaben entgehen und vermitteln unabsichtlich den Eindruck,  ledig zu sein sei falsch.

In der Welt außerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft sind Alleinstehende starkem Druck ausgesetzt, einen Partner zu finden und sich auf sexuelle Aktivitäten einzulassen, um ein erfüllendes Leben führen zu können. Gemeinden können dieser Botschaft entgegenhalten mit den wahren Worten der Bibel, dass Jesus allein genügt.

Wir müssen in unseren Gemeinden eine klare sexuelle Ethik lehren, aber auch wichtige kulturelle Veränderungen durchführen. Wir müssen alleinstehende Erwachsene respektieren, ihre Gaben würdigen und sie ermutigen zu leiten.

Das bedeutet, sie zu unseren entscheidungsfindenden Treffen bewusst einzuladen. Es bedeutet, nicht nur Bräute und Babys zu ehren, sondern auch Veränderungen und Meilensteine im Leben unserer Singles zu ritualisieren. Es bedeutet auch, dass wir sie zu einem Picknick oder einer Feier in unseren Familien einladen. Oder noch besser, dass wir Alleinstehende einladen, bei Familien aus unserer Gemeinde tatsächlich zu wohnen. Nicht nur, weil Alleinstehende Familien brauchen, sondern weil auch Familien Alleinstehende brauchen.

Sprache zeugt Kultur, daher kann es weit reichen, unsere Sprache anzupassen. Gemeinden können geistliche Familienstammbäume hervorheben, geistliche Elternschaft ermutigen und Geschichten von alleinstehenden Personen  erzählen, die ein geistliches Erbe für die nächste Generation hinterlassen haben.

In den Programmen, die wir fördern, in den Geschichten, die wir erzählen, und in den praktischen Anwendungen in unseren Predigten können wir regelmäßig die verschiedenen Lebensweisen in der Familie Gottes aufzeigen. Ein Beispiel kann der alleinstehende Hausbesitzer sein, oder der Mieter in einem Wohnblock, ein alleinstehender Erwachsener in einer platonischen Wohngemeinschaft, ein Uni-Absolvent, der noch bei seinen Eltern wohnt oder ein Single, der ein älteres Familienmitglied betreut.

Was wäre, wenn Gemeinden den Ehen und dem Single-Dasein den gleichen Wert beimessen und den Druck von der Partnersuche abwenden würden? Ich glaube, es könnte die brauchbaren, sinnvollen Möglichkeiten für Singles vergrößern, um in ihrer Glaubensgemeinschaft Erfüllung zu finden und zu gedeihen.

Machen wir unsere Gemeinden achtsam, gastfreundlich und zu wertschätzenden Orten für alleinstehende Erwachsene, damit sie Gottes Bestes für ihr Leben entdecken und die Freude erleben können, ein Teil seiner Familie zu sein.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Ausgabe Fall 2021 (Herbst 2021) der Zeitschrift Influence. [1]

Jessica Mumley lebt in Bellingham, Washington, USA und dient als Pastorin in der Studentenmission Chi Alpha, die an verschiedenen Universitäten in der Pazifischen Nordwest Region tätig ist.