Sogar die besten Pastoren und Gemeindeleiter können Macken oder Schwachstellen im Charakter haben, für die sie selber blind sind. Unsere Weigerung, diese Eigenheiten zu sehen, kann mehr als nur ärgerlich sein. Es kann gefährlich werden.

Pastoren und Gemeindeleiter gehören zu den am härtesten arbeitenden, aber am wenigsten geschätzten Menschen in unserer Gesellschaft. Sie geben sich hin für das Werk Christi, seiner Kirche und den Gemeinden, denen sie dienen.

Aber einige Pastoren und Gemeindeleiter haben schlechte Gewohnheiten entwickelt, die die Gemeinde schädigen und drohen, ihren geistlichen Dienst scheitern zu lassen. Dieses Verhalten bewirkt, dass sich jeder elend fühlt – auch der  Pastor selber.

Ich spreche nicht von Gemeindeleitern, die Wölfe im Schafspelz sind. Narzissmus, Missbrauch und anderes äußerst sündiges Verhalten sind ein völlig  anderes Thema. In diesem Artikel geht es um gute Pastoren und Gemeindeleiter mit Schwachstellen in ihrem Charakter, denen sie aber selber blind gegenüberstehen. Dieser Mangel an Erkenntnis kann gefährlich sein.

Hier ist eine Liste mit 11 solcher Schwachstellen, die ich regelmäßig sehe. Diese Liste ist natürlich unvollständig.

  1. Der Perfektionist

Manche erwarten Perfektion von anderen, aber nicht von sich selbst. Andere verlangen Perfektion auch von sich selbst. So oder so ist das immer ein großes Problem.

Ich habe Neuigkeiten für dich. Du bist nicht perfekt. Deine Mitarbeiter und Mitglieder sind es auch nicht.

Leiter, die Perfektion von sich oder anderen verlangen, erreichen nur, dass sich jeder miserabel fühlt. Und wenn man Perfektion erwartet, macht man ironischerweise Spitzenleistungen unmöglich.

  1. Angestellte

Wenn der Perfektionist von sich selbst zu viel verlangt, muten sich die Angestellten zu wenig zu.Pastoren, die bloß für die Gehaltszahlung arbeiten, tun dies nur halbherzig. Sie schaffen dadurch eine Atmosphäre, die aus einem seltsamen Gemisch aus Mittelmäßigkeit und Anspruch besteht.

  1. Der Alles-Selber-Macher

Manche Gemeindeleiter brennen aus, weil sie den ganzen Dienst für alle in der Gemeinde tun. Manchmal machen sie das aus Schuld- oder Pflichtgefühl oder unrealistischen Erwartungen. Aber immer ist es ein fehlgeleitetes Verständnis der Rolle eines Leiters.

 Wenn man das meiste oder gar alles im Dienst in der Gemeinde selber macht, dann brennt man nicht nur selber aus, sondern vernachlässigt und  erschöpft fast sicher auch seine Familie. Und dient auch der Gemeinde nicht gut.

Pastoren sind nicht dazu berufen, den ganzen Dienst für die Mitglieder ihrer Gemeinde zu tun. Wir sind dazu berufen, Jünger zu machen, die wiederum neue Jünger machen.

  1. Der Alleswisser

Du bist nicht Gott. Keiner denkt das von dir. Deshalb kannst du ruhig auf manche Frage mit einem ehrlichen „Ich weiß nicht.“ antworten.

Einer der Gründe, warum sich viele Leiter schwer tun mit diesen drei Worten, ist, dass sie glauben, damit ihren Ruf als Pastor und ihre Autorität zu untergraben. Tatsächlich bewirkt es genau das Gegenteil.

Die Last, auf alles eine Antwort wissen zu müssen, ist nicht nur erschöpfend. Sie ist auch nicht aufrechtzuerhalten. Auf der anderen Seite beeindruckt, stärkt und befreit einfache und demütige Ehrlichkeit auf wunderbare Weise.

  1. Der Jammerer

Chronische Jammerer sehen ständig die Fehler bei anderen, nur nicht bei sich selbst. Manchmal springen sie von Gemeinde zu Gemeinde und finden überall neue Fehler. Andere bleiben, wo sie sind, geraten aber dauernd in Konflikte mit den anderen Besuchern.

Wenn ein Pastor mehr jammert als dankt, fühlen sich die Menschen um ihn herum schlecht – und er sich selber ebenso.

  1. Der Karen/Kevin-Typ

In den letzten Jahren habe ich eine Zunahme von „Karens“ gesehen. Das sind bestimmte Leute, die glauben, sie haben das Recht, ständig unvernünftige, meist belanglose Forderungen und Ansprüche zu stellen. Der Spitzname „Karen“ (aus dem Amerikanischen) ist ziemlich unfair jenen gegenüber, die tatsächlich Karen heißen (wie meine eigene Schwester, die sich gar nicht wie eine „Karen“ verhält) und eine Beleidigung von Frauen im Allgemeinen. In Wirklichkeit gibt es genauso viele Kevins wie Karens. (Alle, die tatsächlich Kevin heißen, mögen mir verzeihen.)

Dieses Kürzel Karen/Kevin ist entstanden, weil sich in letzter Zeit so viele Leute zu so einem Verhalten berechtigt fühlen. Alle, die glauben, das Leben schulde ihnen etwas.

Das Gefühl, bestimmte Ansprüche und Forderungen stellen zu können, ist besonders schmerzlich und hässlich, wenn es Pastoren und Gemeindeleiter betrifft. Schließlich ist „geistlicher Leiter/Seelsorger“ ein Synonym für „Diener“. Unsere Berufung ist Dienerschaft und nicht Anspruchsberechtigung.

  1. Das Klatschmaul

Pastor zu sein, ist zweifellos eine herausfordernde Berufung. Wir brauchen alle jemanden, bei dem wir unseren Dampf aus Ärger und Frustration ablassen können. Aber dieser Dampf sollte nie an die Öffentlichkeit gelangen.

Jemand sagte einmal: „Große Köpfe diskutieren Ideen. Durchschnittliche Köpfe diskutieren Ereignisse. Kleine Köpfe diskutieren Menschen.“ Sie hatten Recht damit. Tratschen ist einer der am meisten verbreiteten, negativen, menschlichen Charakterzüge. Noch schlimmer ist es, wenn  jemand aus der Leiterschaft ein Klatschmaul ist – und unentschuldbar, wenn es der Gemeindeleiter selber ist.

Manchmal müssen wir über andere reden. Aber dann soll das Gespräch immer ermutigen, erheben und Probleme lösen, nie Schuld zuweisen, Spott und Klatsch beinhalten.

Klatsch ist außerdem ansteckend. Wenn du es nicht möchtest, dass andere hinter deinem Rücken über dich reden, dann mach du das auch nicht hinter dem Rücken von anderen.

  1. Der Sklaventreiber

Es stimmt, Pastor, du arbeitest schwer. Wahrscheinlich zu schwer.

Deshalb erwartest du, dass die anderen ebenso schwer arbeiten – wahrscheinlich zu schwer.

Christliche Leiter sollten die Menschen nie bis zum Punkt der Erschöpfung antreiben. Nicht sich selbst – und auch nicht andere. Jesus versprach, dass sein Joch sanft sein werde und seine Last leicht (Matthäus 11,30).  Jede Last, die schwerer ist, kommt nicht von Gott.

  1. Der Politiker

Nein, ich spreche nicht von Pastoren, die sich parteipolitisch engagieren. Das ist ein anderes Thema für einen anderen Artikel  (und wird auf einer anderen Seite von einem anderen Autor stehen.)  Ich spreche von dem Pastor, der politische Spielchen spielt als wesentliches Element seines Stils, eine Gemeinde zu leiten.

„Eine Hand wäscht die andere“, ist nicht die Art von Jesus. Quid pro quo sollte nicht ein Teil der Sprache von Christen sein oder zur Strategie von Leitern gehören. Stattdessen sollten wir wie Jesus sein, der „sich selbst erniedrigte und Knechtsgestalt annahm“ (Philipper 2,7).

  1. Der Verkäufer

In den letzten zwanzig-plus Jahren zeigte sich ein großes Bemühen, mehr Geschäftsprinzipien bei der Führung einer Gemeinde zu nutzen. Aber wir sind Diener. Gemeindeleiter, die alles durch Verkaufs-, Promotions- und  Einkommenslinsen betrachten, verdrehen die Botschaft des Evangeliums.

  1. Der Promi

Gibt es etwas Abscheulicheres als die Bezeichnung „Promi-Pastor“?

Das Wort „Promi“ stammt von „prominent“ = herausragend, bedeutend. Christen sollten unbedingt „herausragen aus der Masse“. Aber die Person, die in ihrer Bedeutung am Höchsten herausragt, sollte Jesus sein.

Ja, wir können und sollen jene ehren, die unseren Glauben bereichert und uns mehr von Jesus gelehrt haben. Aber auch wenn wir sie ehren, sollte doch am Ende dem Namen Jesus die höchste Ehre erwiesen werden und nicht ihrem (oder unserem) Namen.

 

Hier steht der Originaltitel!

Videos über die Vision von Karl Vaters finden sich unter seinem Namen auf YouTube.  Besuche Karl’s Blog!  Zwei Bücher sind von Karl auf Deutsch zu lesen: Kleine Gemeinde große Wirkung – Raus aus der Wachstumsfalle, Verlag Francke. Der Heuschrecken-Mythos: Große Gemeinden, kleine Gemeinden und das Kleindenkertum, das uns trennt.