Wir gehen ja irgendwie davon aus: Wenn wir geistgeleitet sind, dann sind wir auch erfolgreich in unserem Dienst. Frage ist: An was messen wir den “Erfolg”…? Der Geist trieb Jesus ganz am Anfang in die Wüste – 40 Tage Hitze, Einsamkeit – und die grossen Versuchungen – er wurde der Hilfe von Engeln bedürftig…! Jesu Dienst endete so, dass ihn alle verlassen hatten – eine ganze Stadt schrie: “Kreuzigt ihn…”. Und so kam es: Er starb einen elenden, einsamen, verächtlichen Kreuzestod.

Wir leben in einer verrückten Welt – wir haben uns als Gesellschaft in einen Erfolgszwang getrieben. Erfolg, auf Kosten der Ausbeutung der Ressourcen dieser Erde, die der Schöpfer in unsere Obhut gegeben hat. Auch als Gemeinden sind wir in den Sog um Erfolg geraten, ohne dass wir es merken. “Ich gehe dort in die Gemeinde, wo sie mir am meisten bringt – wo ich am meisten profitieren kann – wo ich am besten unterhalten werde” – das ist die Haltung vieler Christen von heute. Und so müssen wir bieten, sonst laufen uns die Leute davon…

Ich bin nicht in der Schweizer Pfinstmission groß geworden – mit 16 kam ich zum Glauben und fand später durch eine Zeltevangelisation in Uster zur Pfimi. Als ich nach der Bibelschule mein Praktikum in der Männedörfler Gemeinde startete, stellten mir die Leitenden Pastoren des Distriktes die Frage: “Martin – hast du eine Vision für Männedorf…” Ich hatte keinen blassen Schimmer, was die jetzt von mir für eine Antwort hören wollten. Ich hatte mit Ach und Krach die Geistestaufe, bzw. die Gabe des Zungenredens empfangen. Aber – was mir versprochen wurde: “Schau den Petrus vor Pfingsten und nach Pfingsten an – dann weißt du, dass du den Heiligen Geist brauchst…!” – wurde mir gesagt. Ich konnte danach keine 3’000 Menschen taufen – und alle, die für mich gebetet hatten, konnten auch keine 3’000 Leute aufzählen…

Als Antwort entschied ich mich für die ehrliche Variante. Ich erzählte von meinen Erfahrungen – bzw. meinen “Nicht-Erfahrungen” und dass ich Jesus unheimlich und gewaltig lieb habe und alles für ihn tun möchte. Zu meiner Überraschung haben die mich nicht gerade wieder rausgeschmissen.

16 wertvolle, z.T. schräge, liebenswürdige und auch komische ältere Leute hatte ich angetreten es war eine Stubenversammlung – es hätte keinen Platz für 10 neue Leute gehabt. Nach zwei Jahren sahen die leitenden Brüder des Distriktes meinen Dienst als beendet, weil sich keine Früchte gezeigt hatten. Die Gemeinde, die alten Geschwister opponierten – die wollten mich behalten – schliesslich bezahlten die meine 50%-Anstellung – nicht der Distrikt.

In den nächsten 3-4 Jahren durften wir einen Aufbruch erleben – die Gemeinde verdoppelte sich, Familien und Kinder kamen dazu. Aber: Es ist noch immer nur eine kleine Gemeinde die damals vielleicht etwa 8’000 Mitglieder zählenden SPM ist dadurch nicht massgeblich gewachsen – tja, grad von Erweckung würde man da noch nicht reden…

Irgendwann in einem Urlaub kam mir in England in einem Buchladen das kleine Büchlein in die Hand “Celebrating the small church”. Da hat der Heilige Geist mächtig zu mir gesprochen schon der Titel ist eine riesen Provokation…! – dem “christlichen Zeitgeist” völlig entgegen gesetzt!

Aber ich habe gelernt: Klein ist nicht = klein. Hätte die gesamte SPM in dieser Zeit dasselbe Wachstum durchgemacht wie unsere Gemeinde, dann wären wir in diesen wenigen Jahren auf 16’000 Mitglieder angewachsen.

Mir ist aufgefallen: Leiter grösserer Gemeinden haben immer wieder krasse, eindrückliche Geschichten von Gottes besonderen Eingreifen zu erzählen. Ich hab mal ausgerechnet: Wir erleben in unserer Gemeinde vielleicht alle 3 Monate ein ausserordentliches Eingreifen Gottes. Ja – wie ist es jetzt mit dem Rechnen? Wir durchlebten eine krasse Krise – viele Glieder wechselten in andere Gemeinden – die bringen jetzt dort ihre Früchte – Gott sei die Ehre!

Wir landeten wieder bei 16 Gliedern. Aber Gott hat es geschenkt, dass wir inzwischen wieder bei etwa 25 sind. Das ist nur noch eine Zunahme von 50% in den letzten paar Jahren. (Wäre schön, die gesamte Schweiz Pfingstmission wäre während dieser Zeit auch wieder um 50% gewachsen…)
Also: bei 25 Gliedern alle 3 Monate ein ausserordentliches Eingreifen Gottes. Bei einer Gemeinde mit 300 Gliedern sind das im Verhältnis alle 3 Monate 12 Mal. Dort erlebt man dann also jede Woche ein ausserordentliches Eingreifen Gottes. Man meint: Gott sei dort viel wirksamer – wenn man es aber in ein prozentuales Verhältnis zur Gemeindegrösse setzt, dann ist Gott bei uns genauso wirksam…!

Und in diesem Büchlein habe ich gelernt: Weltweit gesehen baut Gott seine Gemeinde vor allem durch kleine Gemeinden – die machen den grössten Anteil aus – nicht die Mega-Churches. Natürlich möchte ich auch eine Mega-Church sehen…! Aber Gottes Wachstum scheint nicht immer spektakulär zu verlaufen. Jesus verkündete den Anbruch der Königsherrschaft Gottes. Und er verglich dieser Hereinbruch der Himmelsherrschaft u.a. auch mit einem Senfkorn…

Noch etwas: In jeder Gemeinde gibt es auch Leute mit überdurchschnittlichen Begabungen, etwas auffälligere Persönlichkeiten. Wir hatten z.B. über mehrere Jahre eine ausgebildete Konzertpianistin, die den Lobpreis leitete. Super…!
In einer Gemeinde von 300 Leuten ist die prozentuale Dichte an markanteren Persönlichkeiten oder Begabungen vielleicht ähnlich. Aber beim Faktor 12 hat man den Eindruck: Dort hat es viel mehr coolere Leute…!

In den 90er-Jahren kam das mit der Gemeindewachstumsforschung auf. Die entscheidenden Wachstumsfaktoren wurden identifiziert. Bei einem Test lagen meine tiefsten Werte eindeutig bei “Zielorientierter Leiterschaft”. Organisation, Administration und starke Leiterpersönlichkeit – das ist nicht mein Ding. Ich entsprach auch nicht den Anforderungen, die ich an mich selbst gestellt hatte. Ich fühlte – wie es Pastoren von kleineren Gemeinden nicht selten ergeht – sowas wie Minderwertigkeit, anderen unterlegen. Weshalb Gott – prozentual gesehen – mir überdurchschnittliches Wachstum geschenkt hatte, kann ich mir logisch nicht erklären…

Ihr merkt: So geratet man auf eine völlig falsche Schiene des Vergleichens…! Das ist absolut doof…!, ungeistlich…!, entmutigend…! kontraproduktiv…!
Was hat das alles mit “geistgeleitetem Gemeindewachstum” zu tun…?
Paulus schreibt den Korinthern: “Ich kam in Schwäche und in Furcht, zitternd und bebend zu euch.” (1Kor 2,3) Er schreibt dann schon auch: “Meine Botschaft und Verkündigung war nicht Überredung durch gewandte und kluge Worte, sondern war mit dem Erweis von Geist und Kraft verbunden, damit sich euer Glaube nicht auf Menschenweisheit stützte, sondern auf die Kraft Gottes.” (im nachfolgenden Vers…)

Ja, von dieser Kraft wünsche ich uns allen auch noch etwas mehr. Aber dieser “Erweis von Geist und Kraft” hob nicht auf, dass er “in Furcht, zitternd und bebend” vor ihnen stand. Paulus wurde zuweilen nachgesagt: “…die Briefe sind wuchtig und voll Kraft, aber sein persönliches Auftreten ist matt und seine Worte sind armselig…” (2Kor 10,10)

Ok – zurück zu 1Kor 2. Paulus fährt dort fort: “Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist” (1Kor 2,12)

Wenn es in der anschliessenden Podiumsdiskussion darum geht: “Das nehme ich von dir – das wünsche ich von dir”:
Ich wünsche uns allen, dass wir die Dinge geistlich beurteilen.
Ich habe eine hohe Achtung vor Leitern von grösseren Gemeinden. Ich merke: Vieles könnte ich nicht, was diese tun – vieles wäre nicht mein Ding.

Ich habe immer auch wieder Segen erfahren dürfen –von Wädenswil, später auch von Wetzikon in unserer Krise.

Ich denke aber auch: Wir haben als SPM auch einen beachtlichen Teil an kleinen Gemeinden. Erfahren die Pastoren von der SPM als Bewegung diese Achtung, die sie einerseits nötig haben, andererseits auch verdienen…?
Diese verrückten Allrounder…!
– die schliessen am Morgen die Türe auf
– die helfen noch beim Stuhlen,
– begrüssen die Leute
– machen im Lobpreis mit
– unterstützen noch die Person am Mischpult
– halten die geniale Predigt – vor 30 Leuten (300 wären auch mal cool…)
– helfen beim Kaffe-Ausschank
– bringen den Drucker wieder flott
– organisieren noch Requisiten für den KiGo
– haben ein Ohr für Schwermütige und versuchen, diese zu ermutigen
– schliessen am Ende die Eingangstüre, weil sie als letzte heimgehen
– suchen noch ihre Kinder zusammen, die schon lange nach Hause wollten
– die Frau putzt noch schnell das Glas des Schaukastens rein
– … und 1’000 Sachen dazu

Hey… an den Leiterkonferenzen stehen mehrheitlich die Leute von grösseren Gemeinden vorne. Ist ja auch ok – die können gewisse Dinge auch wirklich gut…! Aber z.B. die Zeugnisse, die wir in einigen der letzten Leiterkonferenzen von Leuten von kleinen Gemeinden hören durften – genial…! So schön, wenn diese auch vorkommen, wahrgenommen werden. Nein – keiner von uns will nach Ehre suchen. Allerdings hat Gott kein Problem mit Ehre. “Du hast ihn (den Menschen) nur wenig geringer gemacht als Gott, du hast ihn gekrönt mit Pracht und Herrlichkeit.” (Ps 8,6)

Aber Gott hat einen anderen, genialeren Plan, wie wir zu Ehre gelangen. Paulus sagt: “Übertrefft euch gegenseitig in der Ehrerbietung.” (Röm 12,10) Wenn jeder für seine eigene Ehre besorgt ist, dann schaut unter 100 Personen nur einer für meine Ihre: Ich. Wenn jeder um die Ehre des nächsten bemüht ist, dann sind 99 Personen um meine Ehre bemüht!
Schön, wenn die SPM davon lebt…!, …wenn die SPM einen scharfen Kontrast zum Erfogswahn dieser Welt setzt…!

Martin war 40 Jahre lang Pastor in Männedorf in der Schweiz. Seit Oktober 2022 ist er in Rente. Er und seine Frau Silvia haben drei erwachsene Kinder und vier Enkelkinder. Sein Hobby ist Gitarre spielen im Fingerpicking-Stil. Sein Lebensmotto lautet: „Ich stecke bis zum Hals im Glück mit Jesus – und ich habe noch nicht alles entdeckt!“