Mit Jesus verbunden bleiben durch Krisenzeiten hindurch

„Kann ich Lebens- und Glaubenskrisen vermeiden?“ Wohl eher nicht! Kaum einem Menschen werden sie erspart bleiben. Anhand biblischer Beispiele und auch eigener Erfahrungen wollen wir besprechen, wie wir Krisen bestehen und gestärkt daraus hervorgehen können. „Akzeptieren“ und „loslassen“ ist manchmal der bessere Weg, als „dagegen anzukämpfen“. Und: um alles in der Welt an Jesus festhalten. Er hält schon lange an uns fest – ohne Wenn und Aber!“

„Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken, wenngleich das Meer wütete und wallte und von seinem Ungestüm die Berge einfielen. Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind. Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie fest bleiben; Gott hilft ihr früh am Morgen.“ (Ps 46,2-6)

  1. Krise / Definition

Das Wort „Krise“ kommt aus dem altgr. „krisis“. Es bedeutete etwa: Zuspitzung, Entscheidung, aber auch entscheidende Wende. Das zeigt, dass in einer Krise immer auch eine Chance liegen kann, eine Chance zur Neuorientierung, zum Neuanfang. Krisen, die sich nicht auflösen und die dauerhaft sind, nennen wir Katastrophen. Ja, auch die gibt es leider – in unserer Welt, und es kann sie auch in unserem Leben geben. John F. Kennedy wird der Spruch zugeschrieben: „Das Wort Krise setzt sich im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen zusammen – das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit.“ Wir können also sagen: Eine Krise ist immer eine unangenehme, eine gefährliche Situation – etwa für unser Leben oder für unseren Glauben. Aber sie kann auch immer eine Chance beinhalten: zur Neuorientierung, zur Korrektur, zur Veränderung, zum Wachstum. Krisen können durch eigene Fehlhaltungen / Fehlverhalten verursacht werden, aber sie können uns auch ganz unverschuldet begegnen!

Wir kennen u.a. folgende Begriffskombinationen: Finanzkrise, Wirtschaftkrise, Gesundheitskrise, politische Krisen, Umweltkrisen, Glaubenskrisen, Pubertätskrise, Midlife-Crisis, Kuba-Krise (kennen die Älteren noch…) etc.

  1. Krisenerfahrungen in der Bibel

Wenn wir uns viele der bekannten, in der Bibel gezeichneten Persönlichkeiten anschauen, können wir den Eindruck gewinnen, dass Krisen zum Leben eines Menschen dazugehören. Auch – und vielleicht gerade – im Leben eines Menschen, der mit Gott unterwegs ist. Wir denken da etwa an

  1. Adam und Eva – die Krise des Sündenfalls, die sich zu einer Katastrophe ausgewachsen hat. Oder den Verlust ihres Sohnes Abel durch den Brudermord. Solche Krisen können ein ganzes Leben überschatten.
  2. Abraham – der „Freund Gottes“ (2 Chr 20,7; Jes 41,8; Jak 2,23 ) musste so lange warten, bis er das empfangen durfte, was Gott ihm versprochen hatte. Er geriet deswegen sogar auf einige Abwege. Später sollte er das wieder hergeben, was Gott ihm geschenkt hatte.
  3. Mose – der „Freund Gottes“ (Ex 33,11) erlebte seine erste Krise schon als Baby, als er getötet werden sollte und auf dem Wasser ausgesetzt wurde. Auch später musste er immer wieder durch Krisen, die nicht ohne seine eigene Schuld entstanden. Er musste fliehen, als Ausländer in Midian leben. Auch später, als Volksführer, erlebte er einige Krisen, eigenes Versagen, Angriffe von seinen eigenen Leuten oder auch von außen durch Feinde Israels…
  4. David – der „Mann nach dem Herzen Gottes“ (1 Sam 13,14;Apg 13,22) erlebt Krisen in Nachstellungen, Verfolgungen, Flucht, Missgunst seiner Vorgesetzten, Anfeindungen durch nahestehende Verwandte, eigenes Versagen und schwere Schuld, Tod eines Kindes.
  5. Hiob – dem Gott das Zeugnis ausstellt: „Seinesgleichen gibt es nicht auf der Erde: ein Mann untadelig und rechtschaffen, er fürchtet Gott und meidet das Böse.“ (Hiob 1,8). Die Erzählungen über Hiob in der Bibel kennen wir alle: sein unverschuldetes Unglück, den Verlust seiner Güter und Kinder, seine Erkrankungen, das Unverständnis seiner Frau und Freunde für seine Situation. Das Buch Hiob gilt als das Buch der Krisen par excellence und beschäftigt sich mit der Frage nach der „Gerechtigkeit Gottes im Blick auf das unverschuldete Leid der Menschen“ (Theodizee-Frage).
  6. Und nun könnten wir im Neuen Testament der Bibel weitermachen mit Jesus und seiner Krise, die in der Passion gipfelte, mit Petrus, der sich selbst nicht mehr im Spiegel angucken konnte, nachdem er Jesus verleugnet hat und der später auch Verfolgung erlitt, inhaftiert wurde, Zoff mit Paulus hatte und wahrscheinlich als christlicher Märtyrer starb. Wir könnten fortsetzen mit Paulus, der neben allem Schweren besonders litt unter den Anfeindungen seiner eigenen Leute und auch aus den Gemeinden. Ein gutes Beispiel wäre auch Johannes Markus, eine nicht so bekannte ntl. Persönlichkeit, der durch viel „Versagen“ und auch durch Krisen ging – wenn es ernst und schwierig wurde, konnte er schnell einen Rückzieher machen. Aber er festigte sich schließlich in seinem Charakter, wurde für die „großen Apostel“ nützlich zum Dienst und der Legende nach später auch Bischof von Alexandrien. Auch schreibt man ihm das Markusevangeliumzu!

Es scheint eher Normalität gewesen zu sein, dass Männer und Frauen (ich denke da etwa an Eva, Sarah, Hagar, Ruth, Maria oder auch Maria aus Magdala u.a….) in der Bibel Lebens- und Glaubenskrisen durchmachten. Ihnen allen ist aber gemeinsam, dass sie in den Krisen von Gott getragen wurden und auch an Gott festhielten oder wieder andockten! Das ist die erste, wichtige Lektion, die ich als Christ im Hinblick auf Krisen gelernt habe!

III. Einige Krisen in meinem Leben

Ich möchte jetzt auf einige Krisen in meinem Leben zu sprechen kommen. Und ich sage das als Mensch und Christ, der mittlerweile überwiegend froh und gelassen unterwegs sein darf. Ich habe so viel Lehrgeld in meinem Leben bezahlt, dass ich mich – so gut es geht – vor groben Fehlern hüte! Eins meiner Lieblingsgebete ist: „Herr, bitte gib mir Einsicht und Weisheit, dass ich nicht nur aus schmerzlicher Erfahrung lernen muss, dass ich nicht immer vor die Wand laufe und auf die Nase falle.“ Gott sei Dank – es klappt jetzt schon ganz gut! Aber ich weiß natürlich: Ich bin nicht gefeit vor Krisen – weder von gesundheitlichen Krisen (körperlich oder seelisch), vor Glaubenskrisen, vor finanziellen Einbrüchen, vor Verlusterfahrungen. Ich kann nur konsequent versuchen, auf guten Wegen unterwegs zu sein, das meine zu tun, im heute zu leben, Gott täglich zu vertrauen und mein Leben anzuvertrauen.

  1. Meine erste große Krise bahnte sich in den 70er Jahren an, als ich mehr und mehr in die Abhängigkeit von Alkohol und Drogen geraten bin. Die Drogen haben mich fast mein Leben gekostet, und die Sucht stand sicherlich für meine große Sehnsucht nach Leben und Erfüllung und für meine Suche nach Sinn. Sie zeigte aber auch die Defizite in meiner Persönlichkeit auf, an denen ich bis heute mit Gottes Hilfe arbeite. Die Begegnung mit Jesus Christus, die tiefe Erkenntnis meines Zukurzkommens vor Gott und Menschen, meine Erfahrung mit dem Heiligen Geist inWiedergeburt und Geistestaufe, das Kennenlernen und Verinnerlichen der Bibel als eine Richtschnur für mein Leben – all das waren Geschenke von Gott für mich, die mir geholfen haben, diese lebensbedrohliche Krise meiner Jugendjahre zu überwinden.
  2. Aber auch als Christ musste ich lernen, dass ich jetzt nicht automatisch gefeit bin gegen eigene Fehler oder gegen Fehlverhalten von anderen Menschen mir gegenüber. Und dass ich nicht gefeit bin gegen schwere Wege und Krisenerfahrungen – seinen sie nun bedingt durch mein Fehlverhalten oder durch das Verhalten anderer Menschen.
  3. Eine Sache, die ich z.B. lernen musste, war, dass ich als suchtkranker Mensch nur bestehen kann, wenn ich konsequent Alkohol und Drogen meide. Zwei schlimme Rückfälle haben mich das gelehrt. Bei einem schwer suchtkranken Menschen kann ein Rückfall tödlich sein. Er kann alles zerstören. Darum besuche ich auch heute, mit 67 Jahren, immer noch regelmäßig eine Selbsthilfegruppe. Denn nur wenn ich clean und trocken bleibe, kann mein Leben und meine Nachfolge Jesu gelingen.
  4. Bedingt durch Veranlagung und frühkindliche Erfahrungen kann ich mit Ablehnung ganz schlecht umgehen. Hinzu kommt manchmal ein schwaches Selbstwertgefühl und Begrenzungen, was Belastbarkeit betrifft. Wenn ich meine Stimmungen und Gefühle nicht in eine heilsame Balance bekomme, kann ich in Krisen stürzen. Ich bin dann rückfallgefährdet und kann schwer depressiv werden. Ich musste sehr lange und sehr viel an mir arbeiten, um innerlich stabiler zu werden. Gott hat mir – so sehe ich es heute – manches „genommen“, was mir schadet. Z.B. den Alkohol und die Drogen. Oder zu viel Prominenz. Eine zu hohe Stellung in der Welt oder der Gemeinde. Aber er hat mir reichlich Dinge gegeben, die mir Freude bereiten und die heilsam für mich sind. Das größte ist meine Familie und dass wir uns gut verstehen. Wer hätte das gedacht? Der Uli, der mal auf der Straße gelebt hat, ist jetzt seit 41 Jahren verheiratet, hat 3 erwachsene Kinder, die gut im Leben stehen und 5 süße Enkelkinder sowie tolle Schwiegerkinder? Das ist für mich ein großes Geschenk. Ebenso wie meine Gemeinde, die hoop-Kirche, die mir seit fast 40 Jahren ein geistliches zu Hause bietet! Gott nahm mir einige schädliche Dinge weg bzw. ich konnte sie loslassen, aber er gab mir soviel mehr! Er gab mir Freude am Laufen, am Radfahren, am Malen, am Musizieren.Freude bekomme ich nicht mehr durch chemische Substanzen, die ich mir reinziehe, sondern durch aktive Teilnahme am Leben!
  5. Eine schwere Krise war für mich und meine Frau die Erkrankung unseres Sohnes als Jugendlicher. Ich arbeite als Seelsorger seit nunmehr fast 40 Jahren u.a. in psychiatrischen Einrichtungen unseres Sozialwerks. Ich habe früher oft zu Gott gebetet: „Bitte, Herr, lass es nicht zu, dass eines unserer Kinder eine seelische Erkrankung bekommt!“ Und dann entwickelte unser Sohn eine Zwangserkrankung. Das war eine schlimme Familienkrise! Das konnte ich anfangs gar nicht annehmen und auch Gott nicht verzeihen. Mittlerweile geht es unserem Sohn trotz ein paar Beeinträchtigungen gut, und er hat einen guten Stand im Leben gefunden. Ich habe in all diesen schwierigen Prozessen erkannt, dass bei Gott keineswegs nur das Starke, Gesunde, Perfekte zählt, sondern dass er besonders denen nahe ist, die ein zerbrochenes Herz haben. Denen, die Brüche im Leben haben. Denen, die mit sich und anderen nicht so gut klar kommen. Jesus Christus zeigt uns wie kein anderer, wer und wie Gott wirklich ist. Er liebt uns Menschen, und besonders die unter uns, die mit Brüchen, Versagen und Schwierigkeiten zu tun haben. Er ruft die Mühseligen und Beladenen in seine Gemeinschaft. In seiner Gemeinschaft und Gegenwart können wir genesen! Das habe ich – besonders durch meine Krisen hindurch – sehr oft erfahren können!

Ich könnte noch von einer ganzen Reihe anderer Krisen berichten – und ich bin sicher, ihr alle könntet das ebenso. Aber ich will es hierbei belassen.

  1. Ein kleines Fazit

Heute ist es in meinem Leben ruhiger geworden. Das Leben fließt gemächlich dahin (wie die Wümme oder die Hamme, an denen ich so gerne vorbeiradle oder raste) – auch wenn mein Arbeitstempo manchmal noch ziemlich hoch ist. Aber die Ausschläge sind nicht mehr so extrem. Ich habe Gelassenheit gelernt. Leben im „Heute“. Mach dir keine Sorgen um morgen, jeder Tag hat seine eigene Plage. Ich will bei Jesus bleiben, mich an ihm festhalten – egal was kommt. „Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist: Jesus Christus“ (1 Kor 3,11). Mein Konfirmationsspruch drückt mein wichtigstes Lebensfundament aus! Ich halte mich an Jesus fest. Aber ich weiß, dass er mich schon lange festhält: „Niemand wird euch aus meiner Hand reißen“ (Joh 10,28), das glaube ich ganz naiv! Und „Nicht ihr habt mich erwählt, sonder ich habe euch erwählt“ (Joh 15,16). Auch wenn die Bibel oft ein schwieriges Buch ist – ich will immer wieder in ihr das Reden Gottes, seine Stimme, seine Wegweisung für mein Leben suchen! „Sein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg“ (Ps 119,105). Ich will mich zu seinen Leuten halten. Ich mag die Gemeinde nicht immer gleich heiß und innig, aber sie ist sozusagen der Körper von Jesus Christus. Er hat sich die Gemeinde durch sein Blut „erkauft“ (Apg 20,28)! „Die Gemeinde des lebendigen Gottes, ein Pfeiler und eine Grundfeste der Wahrheit“ (1 Tim 3,15).

Also:
1. Krisen kommen und gehen
– ein Blick in die Bibel zeigt uns, dass wohl kein Mensch davor gefeit ist.

  1. Krisen müssen sich nicht zu Katastrophen auswachsen. So viel an dir liegt, versuche es zu verhindern!
  2. Krisen beinhalten auch immer eine Chance – zur Veränderung, zur Neuorientierung, zu einem tieferen Verständnis und Wertschätzung des Lebens und auch des Glaubens.
  3. Nimm die Krise an. Schau genau hin. Setze dich mit der Krise und ihren Ursachen auseinander. Sei ehrlich vor dir selbst und vor anderen. Schäme dich nicht, Hilfe zu suchen und anzunehmen. Bewahre dir ein bisschen Gelassenheit: „Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
  4. Halte an Gott und an Jesus fest! Deine Vorstellung von Gott und dein Verständnis der Bibel mögen sich verändern. Manches im Leben wirst du nach der Krise anders einschätzen. Aber Gott ist der Urgrund des Lebens. Er ist und bleibt derselbe. Er ist treu, zuverlässig, barmherzig, geduldigund voller Liebe. In Jesus Christus hat er uns sein Angesicht freundlich zugewandt.
  5. Wenn irgend es geht versuche mit Gott im Gespräch zu bleiben (ja, du kannst ihm auch deine Enttäuschung, deinen Frust und deine Wut ins Gesicht sagen – er hält das aus!). Versuche, bei Gott zu bleiben, bei seinen Leuten zu bleiben, die Heilige Schrift zu ehren. Auch wenn du dich immer wieder von Dingen wirst trennen müssen, die dir nicht gut tun. Es kann sein, dass wir manche Vorstellungen und Überzeugungen über Gott dekonstruieren müssen. Aber dekonstruiere niemals Gott und Jesus. Das wäre Destruktion.
  6. Bleib ehrlich – vor Gott, vor anderen Menschen und vor dir selbst, denn: „Dem Aufrichtigen lässt Gott es gelingen“ (Spr 2,7). Und – „Das Leben wird nach vorne gelebt und rückwärts verstanden“ (Sören Kierkegaard).

Uli Schulte, verheiratet mit Irene, 3 erwachsene Kinder, 5 Enkelkinder, seit 38 Jahren Pastor und Seelsorger im Sozialwerk der Freien Christengemeinde Bremen, in der Kirchenleitung der hoop. 1983 ordiniert im BFP. Delegierter des BFP und der hoop- Kirche in der ACK in Bremen.