Versuch einer Analyse von 25 AUFATMEN-Gemeindeporträts

Nach 25 Begegnungen mit Leitungspersonen und daraus entstehenden Gemeindeporträts in Fragen- und Antwortform, wage ich den Versuch einer Analyse. Gibt es bei der vorgestellten bunten Mischung landes- und freikirchlicher, großer oder kleiner Gemeinden gemeinsame Gründe und Kriterien für Vitalität? Was machen diese Gemeinden richtig? Was verbindet sie?

Mit Sicherheit gibt es kein „Universal- und Geheimrezept“, jede Stadt und jede Gemeinde ist anders und hat ihr ureigenes Umfeld. Dennoch merke ich, dass die vorgestellten Gemeinden einiges gemeinsam haben – wachsende Gemeinden …

 1… haben eine gemeinsame Vision: da sein auch für die, die noch nicht da sind.

 2… sind lernbereit und schauen über den Tellerrand: Leitungskreise und Mitarbeitende besuchen Gemeinden, die weiter sind als sie selbst und lassen sich inspirieren. Sie suchen nach Vorbildern und sind sich nicht zu schade, etwas nachzumachen. Sie besuchen Konferenzen, lassen sich beraten, suchen das Gespräch.

3… haben einen Pastor(enteam) der/die/das willig ist, Kontrolle abzugeben: Wachsende Gemeinden sind oft so groß, dass nicht mehr einer alles überblicken und kontrollieren kann. Dann wird der Pastor oft ungewollt zum Nadelöhr und verstopft viele Möglichkeiten.

Gemeinden wachsen, wo die Bereitschaft da ist, Kontrolle abzugeben und mit Budgets und eigenverantwortlichen Ehrenamtlichen zu arbeiten. Leute, die ein Herz für eine Sache haben, sammeln sich oft selbständig und werden aktiv.

Nicht alles muss „von oben“ gesteuert werden, nicht alle müssen um ihr Einverständnis gefragt werden. „Kenntnisse in Organisationsmanagement“ sollte zum Curriculum theologischer Ausbildungsstätten gehören. 

 4… investieren in Stellenprozente: Oft ist das Geld für weitere Stellen noch gar nicht vorhanden und muss mit Kampagnen oder Fördervereinen gesammelt werden.

 5… haben Freiheit zum Experimentieren: Experimente werden gefördert. Niemand schämt sich, wenn Fehler gemacht werden oder ein Dienst eingestellt wird. Die Haltung dahinter: Besser versuchen als nichts tun. Devise: „Ein Jahr lang versuchen wir es, dann werten wir aus …“

 6… verfügen oft über Hauptamtliche, die lange an einem Ort bleiben: Vertrauen ist ein wesentlicher Wert von Gemeinde. Dieses Vertrauen hängt (nicht nur, aber oft) an Menschen. Vertrauen wächst, wenn man sich gut kennt, eine Strecke Weg gemeinsam gegangen ist und auch weiß: Hauptamtliche bleiben und „baden aus“, was sie selbst mit angezettelt haben. Andererseits: Wachsende Gemeinden kümmern sich um deren Bedürfnisse (gutes Gehalt und Wohnverhältnisse).

7… leben mit Großzügigkeit und Opferbereitschaft: Wenn ein Haushalt aktives Bewegungsmittel aller ist, wenn für spontane Projekte gesammelt werden kann, wenn sich selbst einzelne Hauptamtliche zeitweise einen Spenderkreis suchen, dann motiviert das alle.

 8… kommunizieren gut: In manchen Gemeinden gab es sonntags eine kurze (!) Informationszeit für Mitglieder. Viele der porträtierten Gemeinden hielten den Punkt „Kommunikation“ für verbesserungswürdig.

 9… achten auf notwendige Strukturveränderungen: Positiv: Es gibt ein Bewusstsein für Strukturen, die mit wachsen müssen. Viele sagten, sie hätten die Begleitfragen von Wachstum unterschätzt. Strukturveränderungen wären oft früher notwendig gewesen.

 10… haben eine Vision und einen Plan: Sie setzen Ziele und erarbeiten notwendige Schritte, um diese zu erreichen. Manche Gemeindeleitung reservierte sich jedes Jahr einen Klausurtag zur Überprüfung ihres Planes und Kurses. Die Pläne sind überschaubar und realistisch.

 11… investieren in junge Leitende: Kinder- und Jugendarbeit sowie das Investieren in junge Leitende sind Teil der Gegenwart von Gemeinde und bilden eine Priorität.

12… engagieren sich für Menschen am Rand der Gesellschaft: Viele wachsende Gemeinden haben soziale Dienste, die der Gemeinde angegliedert sind. Das kann ganz verschieden aussehen: Begegnungscafé, Hausaufgaben/Betreuung für Kinder, Kleiderkammer, praktische Hilfe für Flüchtlinge oder Mahlzeiten für Schüler oder arme Menschen, etc.

13… schämen sich nicht für das, was sie sind: Wachsende Gemeinden haben ein positives Selbstverständnis, identifizieren sich mit ihrer Arbeit und sind in einem guten Maß stolz auf sie. Eine transformierte traditionelle Gemeinde formulierte für zwei Jahre ein Schwerpunktthema: „Wir stehen für das, was wir sind und wir schämen uns nicht. Wir haben das beste Angebot, die beste Nachricht für unsere Stadt!“

Christel Eggers ist Redakteurin für AUFATMEN, verheiratet und zuhause in der Lebensgemeinschaft WegGemeinschaft in Cuxhaven.
FLG dankt AUFATMEN für die freundliche Genehmigung, die Auswertung hier bringen zu können.

Veröffentlicht am 09 März 2020 Der Leiterblog